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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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daß ein lebender Mensch wirklich so schlaff tun konnte.
    Der riesenstarke Harlekin warf ihn wie einen Mehlsack hin und her und schwang ihn wie eine indische Keule, während gleichzeitig die verrücktesten und tollsten Tänze vom Klavier her schollen. Als der Hanswurst den Komiker-Polizisten keuchend vom Boden aufhob, spielte der Clown »Reich mir die Hand, mein Leben« und als er ihn über seinen Rücken hinabgleiten ließ »Behüt dich Gott, es wäre so schön gewesen«. Als der Hanswurst endlich den Schutzmann mit einem überaus überzeugenden Plumps niederfallen ließ, ging der Verrückte am Instrument in ein klimperndes Tempo über.
    Im Augenblicke, als dieser Ausbruch von Verstandesanarchie bei diesem Punkte angelangt war, verdunkelte sich Father Browns Erkenntnis gänzlich, denn der Großstadtmagnat, der gerade vor ihm saß, erhob sich zu voller Höhe und fuhr mit den Händen in allen Taschen umher; dann noch immer kramend setzte er sich nieder, um sofort wieder von neuem aufzustehen. Einen Augenblick schien es, als wolle er allen Ernstes über die Rampenlichter hinwegsteigen, dann heftete er einen durchdringenden Blick auf den klavierspielenden Clown und rannte plötzlich ohne ein Wort aus dem Saale. Der Priester hatte noch ein paar Minuten länger den tollen, dabei aber durchaus nicht ungewandten Tanz des Liebhaber-Hanswursten um seinen hervorragend bewußtlosen Gegner beobachtet. Mit wirklicher, wenn auch ungeübter Kunst tanzte der Harlekin langsam rückwärts zur Türe hinaus in das Mondlicht und Stillschweigen des Gartens. Das zusammengekleisterte Kleid aus Silberpapier, das im Scheine der Lampen zu grell und zu deutlich gewirkt hatte, sah immer zauberischer und silberiger aus, als er durch den matten Schimmer des Mondes hintanzte. Die Zuschauer fielen mit einem Beifallsstürme ein, als Brown unvermittelt sich am Arme ergriffen fühlte und flüsternd gebeten wurde, in das Arbeitszimmer des Obersten zu kommen.
    Er folgte seinem Boten mit steigenden Zweifeln, die auch nicht zerstreut wurden durch die feierliche Komik der ganzen Szene. Da saß Oberst Adams, noch immer in seiner vollständigen Verkleidung als Pantalon mit betrotteltem Fischbein, das über seinen Brauen tanzte, doch seine armen, alten Augen blickten ganz traurig drein in ihrem Bewußtsein, ein Spaßverderber sein zu müssen. Sir Leopold Fischer lehnte beklommen am Kamingesimse und trug alle Anzeichen des Schreckens an sich.
    »Es ist eine sehr peinliche Geschichte, Father Brown,« begann Adams. »Es handelt sich darum, daß jene Diamanten, die wir alle heute nachmittags gesehen haben, aus meines Freundes Rockschoß verschwunden sind. Und da Sie –«
    »– da ich,« ergänzte Father Brown mit breitem Grinsen, »genau hinter ihm gesessen bin –«
    »Nichts dergleichen soll angenommen werden,« fiel Oberst Adams mit einem festen Blicke auf Fischer ein, der eher bestätigte, daß tatsächlich etwas dergleichen angenommen worden war. »Ich bitte Sie nur um eines, um Ihre Beihilfe, wie man es von jedem Ehrenmanne erwarten darf.«
    »– nämlich, daß er seine Taschen umkehrt,« bemerkte Father Brown und begann schon dies zu tun, wobei ein paar Kupfermünzen, eine Rückfahrkarte, ein kleines Silberkreuz, ein kleines Brevier und eine Stange Schokolade herausfielen.
    Der Oberst blickte ihn lange an, dann sagte er: »Sie verstehen, ich möchte lieber die Innenseite Ihres Kopfes, als die Ihrer Taschen kennenlernen. Meine Tochter gehört ja wohl zu Ihren Glaubensgenossen, und sie hat neulich –« stockte er.
    »– sie hat neulich,« rief der alte Fischer dazwischen, »einem waschechten Sozialisten ihres Vaters Haus geöffnet, der offen sagt, er wäre imstande, jedwedes Ding den Reicheren wegzunehmen. Das ist das Ende vom Liede. Und hier haben wir den Reicheren – und darum doch nicht reicheren.«
    »Wenn Sie das Innere meines Kopfes wollen, das können Sie haben,« sagte Brown gelangweilt. »Was es wert ist, können Sie mir später sagen, aber das erste, was ich darin finde, ist, daß Leute, die Diamanten stehlen, nicht von Sozialismus reden. Sie sind eher von jener Art, welche ihn ablehnen.«
    Die anderen winkten heftig ab, aber der Priester fuhr unbekümmert fort.
    »Wir kennen ja diese, Leute mehr oder weniger alle, nicht? Der Sozialist dort würde ebensowenig einen Diamanten stehlen, wie eine Pyramide. Wir müssen sofort nach dem einen Menschen sehen, den wir nicht kennen, dem Burschen, der den Schutzmann machte, Florian. Ich möchte wissen,

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