Priester und Detektiv
Heimstätten harmloser Menschen.
Der Hammer Gottes
Das Dörflein Bohun Beacon saß auf einem so steilen Hügel, daß seine hohe Kirchturmspitze sich nur wie ein kleiner Berggipfel ausnahm. Am Fuße der Kirche stand eine Schmiede, aus der gewöhnlich roter Feuerschein strahlte und Hämmer und Eisenstücke lagen stets unordentlich hingeworfen umher. Ihr gegenüber, jenseits der Kreuzung roh gepflasterter Straßen lag das »blaue Wildschwein«, das einzige Wirtshaus des Ortes. An dieser Straßenkreuzung und um die Stunde eines bleigrauen und silbernen Tagesanbruches war es, daß sich zwei Brüder trafen und miteinander sprachen, obwohl der eine den Tag begann und der andere ihn beschloß. Der hochwürdige und ehrenwerte Wilfried Bohun war sehr fromm und befand sich unterwegs zu irgendeiner strengen Gebetsübung oder Morgenbetrachtung. Der ehrenwerte Oberst Norman Bohun, sein älterer Bruder, war ganz und gar nicht fromm und saß noch im Abendgewande auf der Bank vor dem »blauen Wildschweine« und trank etwas, was der philosophische Leser als sein letztes Glas am Dienstag oder sein erstes Glas am Mittwoch ansehen mag. Der Oberst selbst legte darauf wenig Gewicht.
Die Bohuns waren eine von den sehr wenigen adeligen, wirklich in das Mittelalter zurückreichenden Familien und ihr Fähnlein hatte wirklich Palästina gesehen. Aber es ist ein großer Irrtum, anzunehmen, daß solche Häuser in ritterlicher Überlieferung sich aufrecht erhalten. Wenige außer den Armen bewahren Überlieferungen. Aristokraten leben nicht nach Überlieferungen, sondern nach Moden. Die Bohuns waren unter Königin Anna Mohocks (Raufbolde) und unter Viktoria Mashers (Stutzer) gewesen. Aber wie mehr als eines der wirklich alten Häuser waren sie in den letzten zwei Jahrhunderten in reine Trunkenbolde und Gecken ausgeartet, bis sich sogar leise Anzeichen von Geisteskrankheit eingestellt hatten. Sicherlich lag etwas kaum mehr Menschliches in des Obersten wolfshungrigem Jagen nach Vergnügen und sein chronischer Entschluß, nicht vor Tagesanbruch nach Hause zu gehen, zeugte mit schrecklicher Klarheit von dem Anzeichen der Schlaflosigkeit. Er war ein großer, hübscher, ältlicher Mann, jedoch von auffallend gelbem Haare. Er würde direkt blond und löwenhaft ausgesehen haben, doch lagen seine blauen Augen so tief in den Höhlen, daß sie schwarz erschienen. Auch standen sie ein wenig zu nahe beisammen. Ferner trug er einen sehr langen gelben Schnurrbart, zu dessen beiden Seiten je eine von den Nasenflügeln bis zum Kinn reichende Falte oder Runzel sich herabzog, so daß ein höhnisches Grinsen in sein Gesicht geschnitten schien. Über seinem Abendgewand trug er einen merkwürdig hellgelben Rock, der mehr wie ein sehr leichter Schlafrock als wie ein Überzieher aussah und auf seinem Hinterkopfe steckte ein außergewöhnlich breitrandiger Hut von lebhaft grüner Farbe, sichtlich eine fremdländische, aufs Geratewohl irgendwo aufgelesene Merkwürdigkeit. Bohun war stolz darauf, in solch nicht zusammenstimmendem Äußerem zu erscheinen, stolz darauf, die Gegensätze zum Zusammenstimmen zu zwingen.
Sein Bruder, der Kurat, hatte auch das gelbe Haar und die Eleganz, aber er war bis zum Kinn schwarz eingeknöpft und sein Gesicht glattrasiert, gepflegt und ein wenig nervös. Er schien für nichts anderes als für seine Religion zu leben, aber es gab Leute, welche behaupteten (und dazu gehörte vor allem der presbyterianische Dorfschmied), es sei mehr Liebe zur Gotik als zu Gott, und sein immerwährendes Herumspucken in der Kirche gleich einem Geiste sei nur ein anderer und reinerer Ausdruck des beinahe krankhaften Durstes nach Schönheit, der seinen Bruder den Weibern und dem Weine nachjagen ließ. Die Berechtigung dieses Vorwurfes muß jedoch angezweifelt werden, denn des Mannes praktische Frömmigkeit stand außer Frage. In der Tat war der Vorwurf zumeist nichts anderes als ein auf Unwissenheit beruhendes Mißverstehen seiner Liebe zur Einsamkeit und zu verborgenem Gebete und gründete sich darauf, daß man ihn oft im Gebete kniend fand, nicht vor dem Altare, sondern an besonderen Orten, in der Krypta oder auf der Galerie und selbst auf dem Kirchturme. In diesem Augenblicke stand er im Begriffe, durch den Hof der Schmiede in die Kirche einzutreten, doch blieb er stehen und runzelte die Stirne ein wenig, als er seines Bruders tief liegende Augen nach derselben Richtung starren sah. Auf die Annahme, daß das Interesse des Obersten der Kirche gelten könnte,
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