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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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unvermittelten geheimen Lebendigkeit, in der eben all die Bitternis des Todes liegt. In einem Augenblicke, wie ein Blitz aus blauem Himmel, wie ein Donnerschlag von nirgendsher, war dieser schöne und stolze Körper den offenen Aufzugschacht hinab dem Tode unten in die Arme gestürzt. War es Selbstmord? Bei einer so selbstbewußten Optimistin schien das ausgeschlossen, war es Mord? Aber wer sollte dort in dem noch fast unbewohnten Räumen gewesen sein, um jemanden zu ermorden? In einem Schwall heiserer Worte, die er für kraftvoll hielt und die ihm dennoch sofort schwächlich vorkamen, fragte er, wo jener Kerl, Kalon, steckte. Eine Stimme, gewöhnlich schwerfällig, ruhig und volltönend, versicherte ihm, daß Kalon während der letzten fünfzehn Minuten auf seinem Balkon draußen gestanden hatte, seinen Gott zu verehren. Als Flambeau diese Stimme hörte, und Father Browns Hand fühlte, wandte er sein dunkles Gesicht zur Seite und fragte schroff:
    »Aber wenn er die ganze Zeit dort draußen war, wer soll es dann getan haben?«
    »Wir können vielleicht hinauf gehen und herausfinden,« meinte der andere. »Wir haben noch eine halbe Stunde vor uns, bis die Polizei sich meldet.«
    Die Leiche der schlanken Erbin in der Obhut des Chirurgen lassend, raste Flambeau die Treppe hinauf nach dem Maschinenschreibebureau, fand es ganz leer und stürzte dann nach seinem eigenen weiter. Kaum eingetreten, kehrte er unvermittelt und mit weißem Gesichte nochmals zu seinem Freunde zurück.
    »Ihre Schwester!« rief er in peinvollem Ernste, »sie scheint ausgegangen zu sein.«
    Father Brown nickte. »Vielleicht auch ist sie nach oben zu dem Sonnenmanne gegangen,« sagte er. »Wenn ich Sie wäre, würde ich das sofort feststellen und dann wollen wir in Ihrem Bureau die Geschichte besprechen. Nein,« fügte er rasch hinzu, wie wenn er sich etwas erinnerte, »wann werde ich je meine Dummheit ablegen? Natürlich, unten, in ihrem Bureau!«
    Flambeau starrte verständnislos, doch folgte er dem kleinen Priester in die leeren Räume der Staceys hinab, wo der undurchdringliche Geistliche mitten im Vorzimmer sich in einem großen rotledernen Armstuhle niederließ und bequem die Treppe und die Treppenabsätze überblicken konnte.
    Nicht sehr lange wartete er, denn in etwa vier Minuten stiegen drei Gestalten die Treppe hinab, die nur das Gemeinsame ihres feierlichen Ernstes an sich hatten. Die erste war Johanna Stacey, die Schwester der Toten; sichtlich war sie oben im Nottempel des Apollopriesters gewesen. Die zweite war der Apollopriester selbst, der, nachdem er seine Litanei beendet, voll Großartigkeit die leere Treppe herabschwebte, in seinem weißen Gewande, seinem Barte und seinem gescheitelten Haare an Vorés Christus beim Verlassen des Prätoriums erinnernd. Die dritte war Flambeau mit finsteren Brauen und etwas verstört.
    Miß Johanna Stacey, von dunklem Teint, erschlafften Zügen und vorzeitig ergrauendem Haare schritt gerade auf ihr Pult zu und mit geübtem Schlage legte sie ihre Papiere zurecht. Die Bewegung allein schon mußte jeden von ihrer vollen Zurechnungsfähigkeit überzeugen. War Johanna Stacey eine Verbrecherin, so war sie jedenfalls eine sehr kaltblütige. Father Brown betrachtete sie eine Zeitlang mit eigenem, leichtem Lächeln und dann, ohne die Augen von ihr zu wenden, kehrte er sich jemand anderem zu.
    »Prophet,« sagte er, sich erkühnend, Kalon anzusprechen, »ich wollte, Sie würden mir einiges von Ihrer Religion mitteilen.«
    »Ich werde stolz darauf sein,« erwiderte Kalon, sein noch gekröntes Haupt neigend, »aber ich weiß nicht, ob ich recht verstehe.«
    »Sehen Sie, es ist dies,« begann Father Brown in seiner offenen, zögernden Art. »Nach unserer Lehre muß es, wenn ein Mensch wirklich schlechte Grundsätze hat, zum Teil seine eigene Schuld sein. Aber bei all dem können wir doch einigermaßen einen Unterschied gelten lassen zwischen einem Menschen der gegen sein völlig klares Gewissen fehlt, und einem Menschen mit einem mehr oder weniger von Sophistereien umnebelten Gewissen. Also glauben Sie tatsächlich, daß Mord etwas überhaupt Böses ist?«
    »Soll das eine Anklage sein?« fragte Kalon sehr ruhig.
    »Nein,« antwortete Brown ebenso gelassen, »es ist die Verteidigungsrede.«
    In der langen und stutzigen Stille des Raumes erhob sich langsam der Prophet Apolls und es war wirklich, wie wenn die Sonne aufging. Er füllte diesen Raum mit seinem Lichte und Leben in solchem Masse, daß man das Gefühl

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