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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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von ganz Westminster seinem strahlenden Herrn eine Litanei aufzusagen; einmal bei Tagesanbruch, einmal bei Sonnenuntergang und einmal Punkt Mittag. Und eben als es von den Türmen des Parlamentsgebäudes und der Pfarrkirche Mittag schlug, war es, daß Father Brown nach oben blickend den weißen Priester Apolls sah.
    Flambeau hatte diese täglichen Begrüßungen des Gottes Phöbus oft genug gesehen und betrat die Vorhalle des großen Hauses ohne sich auch nur umzusehen, ob ihm sein geistlicher Freund folgte. Doch Father Brown, sei es nun aus beruflichem Interesse am Rituellen oder aus einem starken persönlichen Interesse an Narreteien, blieb stehen und starrte nach dem Balkon des Sonnenanbeters empor, gerade wie er es vor einem Kasperltheater getan hätte. Kalon, der Prophet, stand bereits in silberweißen Gewändern und mit erhobenen Händen aufrecht und der Klang seiner eigenartig durchdringenden Stimme ließ sich bis herab auf die geräuschvolle Straße vernehmen, ihre Sonnenlitanei hersagend. Er war bereits mitten darinnen, die Augen auf die flammende Scheibe geheftet. Es ist zweifelhaft, ob er irgend etwas oder irgend jemand auf Erden sah, wesentlich gewiß ist aber, daß er einen verkümmerten Priester mit einem roten Gesichte nicht sah, der blinzelnden Auges unter der Menge dort unten nach ihm heraufblickte. Darin bestand vielleicht der am meisten auffallende Unterschied zwischen diesen beiden so sehr voneinander entfernten Männern. Father Brown konnte nichts ansehen, ohne zu blinzeln, wogegen der Priester Apolls sogar in die Mittagssonnenglut zu blicken vermochte, ohne mit der Augenwimper zu zucken.
    »O Sonne!« rief der Prophet. »O Stern, zu groß, um unter die Sterne zugelassen zu sein! O Quelle, die du ruhig in jenes geheimnisvolle Etwas hinfließest, das man Raum nennt! O weißer Erzeuger aller weißen, ungeschwächten Dinge, der weißen Flammen, der weißen Blumen und der weißen Gipfel! Vater du, der du unschuldiger bist als deine unschuldigsten und friedlichsten Kinder, Urreinheit, in deren Frieden –«
    Ein Stürzen und ein Krachen wie der verkehrte Sturz einer Rackete wurde von einem langgezogenen, schrillen Schreie durchschnitten. Fünf Männer stürzten das Haustor hinein, während drei Männer herausstürzten und einen Augenblick gegen einander rangen und drängten. Das Gefühl eines ganz unvermittelt hereingebrochenen Schrecknisses schien einen Augenblick die halbe Straße mit Unheilsgerüchten zu erfüllen und mit um so schlimmeren, als niemand wußte, was geschehen war. Zwei Gestalten aber blieben auch nach dem Ausbruche der Aufregung noch an ihrem Platze, der schöne Priester Apolls auf dem Balkone oben und der unschöne Priester Christi unter ihm.
    Schließlich erschien die hohe Figur und titanische Tatkraft Flambeaus unter dem Haustore und beherrschte sofort den kleinen, angesammelten Menschenkneuel. Im höchsten Tone seiner Stimme, die wie ein Nebelhorn klang, gebot er etwas oder jemandem, um einen Chirurgen zu laufen, und als er sich wieder nach dem dunkeln und gedrängt vollen Eingange zurückwandte, schlüpfte Father Brown gänzlich unbeachtet ihm nach hinein. Und noch während dieser durch die Menge tauchte und sich durchdrängte, konnte er die erhabene Melodie und Monotonie des Sonnenpriesters vernehmen, der immer noch den glücklichen Gott anrief, den Freund von Quellen und Blumen. Father Brown fand Flambeau und weitere sechs Leute den umschlossenen Raum umstehend, in den der Fahrstuhl sachte niederzugleiten pflegte. Doch er war es nicht, der herabgekommen war, sondern etwas anderes, etwas was mit dem Fahrstuhle hätte herabkommen sollen.
    Während der letzten vier Minuten stand Flambeau alles vor Augen, hatte er die blutende Gestalt mit dem zerschellten Schädel jener schönen Frau vor sich gesehen, die das Tragische verneint hatte. Keinen Augenblick war ihm auch nur der leiseste Zweifel aufgestiegen, daß es Pauline Stacey war und ob er schon nach dem Doktor geschickt hatte, hegte er doch die volle Gewißheit ihres Todes.
    Er konnte sich nicht für gewiß erinnern, ob er an ihr wirklich Gefallen gefunden hatte oder nicht, es gab soviel was gefallen oder auch mißfallen mochte. Aber sie war ihm durchaus persönlich gegenübergetreten und das unerträgliche Pathos von Nebensächlichkeiten und Lebensweise drang mit all den winzigen Dolchen des Bewußtseins schmerzlichen Verlustes auf ihn ein. Er gedachte ihres hübschen Gesichtes und ihrer urteilsfertigen Augen mit einer

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