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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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hatte, er würde ebensowohl ganz Salisbury Plain erfüllt haben. Seine verhüllte Gestalt schien den ganzen Raum mit klassischem Faltenwerk zu schmücken, seine epischen Bewegungen schienen ihnen größere Ausdehnung zu verleihen, bis die kleine schwarze Figur des modernen Geistlichen wie eine Verirrung und ein Eindringen, wie ein runder schwarzer Fleck auf hellenischer Pracht erschien.
    »Endlich treffen wir uns, Kaiphas,« begann der Prophet. »Ihre Kirche und die meine sind die beiden einzigen Wirklichkeiten auf dieser Erde. Ich bete die Sonne an und Sie ihre Verfinsterung. Sie sind der Priester des sterbenden und ich der des lebendigen Gottes. Ihre gegenwärtige Handlungsweise des Verdächtigens und der Verleumderei ist Ihres Kleides und Ihres Glaubens würdig. Ihre ganze Kirche ist weiter nichts als eine schwarze Polizeianstalt, ihr seid alle nur Spione und Geheimagenten, darauf aus, den Menschen Schuldbekenntnisse abzuringen. Ihr trachtet, die Menschen ihrer Verbrechen, ich sie ihrer Unschuld zu überführen. Ihr wollt sie von ihren Sünden, ich sie von ihrer Unschuld überzeugen.«
    »Leser des Buches des Unheils, ein Wort noch, bevor ich deine haltlosen Spukgestalten für immer hinwegblase. Nicht einmal von ferne könntest du verstehen, wie wenig mir daranliegt, ob du mich überführen kannst oder nicht. Die Dinge, welche du Schimpf und gräßliches Henkerswerk nennst, sind für mich nichts als was der Menschenfresser in einem Märchenbuche für einen erwachsenen Mann bedeutet. Sie wollten die Verteidigungsrede halten. Mir liegt so wenig an dem Nebellande dieses Lebens, daß ich Ihnen selbst die Anklagerede abnehme. Es gibt nur ein Ding, das in dieser Sache gegen mich vorgebracht werden kann, und das will ich selbst angeben. Die Frau, welche tot ist, liebte ich, sie war meine Braut, nicht in dem Sinne, was ihr Hohlköpfe ›rechtmäßig‹ nennt, sondern nach einem reineren und strengeren Gesetze, als ihr es je erfassen könnt. Sie und ich, wir wandelten in einer anderen Welt als ihr, wir schritten einher in Palästen aus Kristall, während ihr euch mühsam durch dunkle Backsteingänge arbeitet. Wohl weiß ich, daß Polizeidiener, theologische und andere, stets sich einbilden, daß, wo Liebe ist, da auch bald der Haß sich einstelle; das ist der erste Punkt zu Ihrer Anklage. Der zweite ist zwar stärker, aber ich will ihn Ihnen nicht vorenthalten. Nicht nur ist es wahr, daß Pauline mich liebte, sondern es ist auch wahr, daß sie gerade diesen Morgen, ehe sie starb, an jenem Tische ein Testament schrieb, worin sie mir und meiner Kirche eine halbe Million vermachte. Her da! Wo sind die Handschellen? Glauben Sie, ich schere mich darum, was Sie Törichtes mit mir vorhaben? Zuchthausstrafe bedeutet mir nur, auf sie an einer Zwischenstation zu warten. Der Galgen ist für mich nur ein durchgehender Wagen, um zu ihr zu gelangen.«
    Er sprach mit der ergreifenden Überlegenheit eines Redners und Flambeau und Johanna Stacey starrten ihn in sprachloser Bewunderung an, während Father Browns Gesicht nichts als äußerste Verlegenheit auszudrücken schien. Mit einer schmerzlichen Falte hielt er den Blick zu Boden geheftet. Der Sonnenprophet lehnte leicht gegen den Kaminsims und fuhr fort.
    »In wenigen Worten habe ich Ihnen die ganze Anklage gegen mich dargelegt – die einzig mögliche Anklage gegen mich! Aber mit noch weniger Worten will ich sie in Stücke blasen, so daß keine Spur von ihr zurückbleibt. Was die Frage betrifft, ob ich es war, der das Verbrechen beging, so besteht die ganze Wahrheit in dem einzigen Satze: ich konnte dieses Verbrechen nicht begangen haben. Pauline Stacey fiel von ihrem Stockwerke in den Schacht hinab um fünf Minuten nach zwölf. Hunderte von Leuten werden mir bezeugen können und aussagen, daß ich zu jener Zeit draußen auf dem Balkon meiner eigenen darüberliegenden Wohnung stand – von kurz vor Schlag zwölf bis fünfzehn Minuten darnach, die übliche Zeit meines öffentlichen Gebetes. Mein Bursche (ein anständiger junger Mann aus Clapham und ohne jede nähere Beziehung zu mir) kann beschwören, daß er den ganzen Morgen in meinem Vorzimmer saß und keinerlei Verkehr stattfand. Er kann beschwören, daß ich volle zehn Minuten vor zwölf, fünfzehn Minuten vor jedem leisesten Anzeichen des Unfalles, ankam, und daß ich die ganze Zeit mein Bureau oder meinen Balkon nicht verließ. Niemals besaß jemand ein so vollständiges Alibi; halb Westminster könnte ich als Zeugen vorladen.

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