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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Geisteskrankheit?« gab Flambeau lächelnd zurück.
    »Zu glauben, daß einem nichts fehlt.« antwortete sein Freund.
    Flambeau war mehr von dem ruhigen, kleinen Bureau darunter in Anspruch genommen, als von dem neuartigen Tempel darüber. Er war ein lebensfroher Südländer, unfähig, sich selbst als etwas anderes vorzustellen als einen Katholiken oder einen Atheisten, und neue Religionen von angenehmer und farbloser Sorte entsprachen nicht seinem Geschmacke. Stets aber entsprach seinem Geschmack das Menschliche, insbesondere, wenn es hübsch aussah, und überdies waren die beiden jungen Damen Charaktere von eigener Art. Das Bureau gehörte zwei Schwestern, beide schlank und dunkel, die eine groß und auffallend. Sie hatte ein finsteres, scharfes und adlerartiges Profil und war eine von jenen Frauen, die man sich stets im Profil vorstellt wie den scharfgeschliffenen Rand irgend einer Waffe. Sie schien sich ihren Weg durchs Leben erzwingen zu wollen. Ihre Augen zeigten einen überraschenden Glanz, aber es war eher der Glanz des Stahles, als der des Diamanten, und ihre aufrechte, schlanke Gestalt trug sich ein wenig zu steif für ihre Unmut. Ihre jüngere Schwester war gleichsam ihr verkürzter Schatten, einen Ton mehr ins Graue spielend, bleicher und unscheinbarer. Beide trugen sich in kontorüblichem Schwarz mit schmalen Herrenmanschetten und Krägen. Es gibt deren Tausende von diesen trockenen, emsigen jungen Damen in den Londoner Bureaus, doch der Reiz dieser beiden lag eher in ihrer wirklichen als in ihrer in Erscheinung tretenden Stellung.
    Denn Pauline Stacey, die ältere, war tatsächlich die Inhaberin eines Wappens und einer halben Grafschaft, wie auch großen Reichtums; sie war in Schlössern und Gärten aufgewachsen, ehe ein frostiger Stolz (eine Eigenheit der modernen Frau) sie zu einer nach ihrer Auffassung strengeren und höheren Existenz angetrieben hatte. Dabei hatte sie jedoch nicht Verzicht auf ihr Geld geleistet, denn das wäre ein ihren herrischen Nützlichkeitsgrundsätzen ganz fremdes romantisches und mönchisches Entsagen gewesen. Sie hielt ihren Reichtum fest, pflegte sie zu sagen, um ihn auf praktische, soziale Zwecke zu verwenden. Einen Teil davon hatte sie in ihr Geschäft gesteckt, ein Anfang eines Muster-Maschinenschreibbureaus; ein weiterer Teil war unter verschiedene Vereinigungen und für Zwecke zur Förderung solcher Tätigkeit unter den Frauen verteilt. Wie weit ihre Schwester und Teilhaberin Johanna diesen etwas prosaischen Idealismus teilte, darüber wußte niemand sicheres. Doch folgte sie mit der Anhänglichkeit eines Hundes ihrer Leiterin, was ihr mit seinem Hauche des Tragischen etwas Anziehenderes verlieh als der harte hohe Sinn der Älteren. Denn Pauline Stacey hatte nichts übrig für das Tragische, sie schien seine Existenz zu verneinen.
    Ihr unermüdliches Ungestüm und ihre eisige Ungeduld hatten Flambeau, als er das erstemal das Haus betrat, sehr belustigt. Er war in der Vorhalle umhergeschlendert, den Fahrstuhljungen zu erwarten, der gewöhnlich Nichteinwohner nach den verschiedenen Stockwerken beförderte. Aber dieser glanzäugige Falke von Mädchen hatte es rundweg abgelehnt, sich einer solchen, aufgezwungenen Verzögerung zu fügen. Sie meinte schnippisch, sie verstehe sich vollkommen auf den Fahrstuhl und hänge nicht von Jungen ab, ebensowenig von Männern. Wenngleich ihre Räume nur im dritten Stocke lagen, brachte sie es dennoch in den paar Sekunden Fahrt fertig, Flambeau aus dem Stegreif ein gutes Stück ihrer Grundanschauungen vorzutragen; sie liefen im allgemeinen darauf hinaus, daß sie eine moderne, arbeitende Frau sei und moderne Arbeitsmaschinen liebte. Ihre glänzenden schwarzen Augen leuchteten in angenommenem Zorne gegen jene auf, welche von Mechanik nichts wissen wollen und sich nach der Wiederkehr der Romantik sehnen. Jedermann, äußerte sie, sollte mit Maschinen umzugehen zu wissen, gerade wie sie mit dem Fahrstuhl. Sie schien es fast übelzunehmen, daß Flambeau für sie die Fahrstuhltüre öffnete und so ging dieser Herr mit etwas gemischten Gefühlen nach seinen eigenen Räumen hinauf, indem er dieses Sprühfeuer von Selbständigkeit überdachte.
    Sie besaß zweifellos ein Temperament von einer schnippischen, praktischen Art, die Bewegungen ihrer schmalen, feinen Hände waren kurz und hatten etwas Zerstörendes an sich. Einmal trat Flambeau wegen einer Maschinenschreibarbeit in ihr Bureau und fand sie, wie sie eben eine ihrer Schwester gehörende

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