PRIM: Netzpiraten (German Edition)
immer noch alles unverschlüsselt auf seinen Rechner. Wahrscheinlich ist er blöd genug, sich sogar noch Ausdrucke zu machen. Er …“
„Ron!“
„Okay. Sie haben sechzehn Fragen, aus denen die NSA-Leute sich drei aussuchen konnten. Die Fragen habe ich aus seiner kopierten Klartextdatei. Zwei Antworten hat er bisher gebraucht. Du hättest also eine Zwei-Drittel-Chance, wenn du dich als Freund Neil Caldwell einloggst. Die eine Antwort ist Paris, wo möchten Sie am liebsten leben, ha ha, die andere, Moment, ist Tootsy, sein Hund. Ist wirklich naiv, der …“
„Wann warst du zuletzt unter Caldwell bei der NSA?“
„Vor zwei Tagen. Da suchte eine Anwaltskanzlei in Phoenix einen gewissen Ingram. Sie gaben uns den Hinweis, dass Ingram in Geheimdienstgeschäfte verwickelt sein könnte. Gewesen sein könnte, denn er ist tot. Da habe ich Caldwell bei seinem Verein nach ihm suchen lassen. Bingo. Er war bei denen angestellt. Die dritte Antwort …“
„Gib sie mir, sobald du sie hast, Ron. Ich kann jetzt ohnehin nicht erneut nach Ann-Louises Vater fragen. Das würden die sofort merken, das weißt du ja. Ich danke dir. Schöner Verband!“
Limpes verschwand ohne ein weiteres Wort, was Talburn veranlasste, ihm verblüfft nachzuschauen. Er machte sich Sorgen wegen Caldwell. Caldwell war der höchste Vertreter der NSA in Europa. Konnte so ein Idiot diese Position bekleiden? Waren seine Nachlässigkeiten Absicht? Eine Falle der NSA? Er musste Ron sagen, dass sie Caldwell besser fallen lassen sollten. Es gab andere Wege in die Datenbanken der NSA, vor allem ständig wechselnde. Frustriert wählte er sich über vier neue Stationen erneut bei der NSA ein. Vielleicht gab es ja im weitgehend offenen Netzbereich des Geheimdienstes einen Hinweis auf die neue Sicherheitssperre. Nicht zum ersten Mal wären die Programmierer so stolz auf ihr Werk, dass sie mit ihren Erklärungen wertvolle Anhaltspunkte für erfolgreiche Angriffe hergaben.
Er suchte zuerst unter der Rubrik Neuigkeiten. Neuigkeiten konnten bei der NSA offenbar bis zu drei Jahre alt sein. Bei einer Zeitung war das Vorjahr Mittelalter, das Jahr davor Urzeit. Er überflog die Überschriften der letzten drei Monate und fand nichts. In der Rubrik Hausmitteilungen beschränkte die NSA sich immerhin auf die letzten fünfzehn Monate. Alle zwei Monate erschien das Angestelltenmagazin Unsere NSA . Er klickte auf die neueste Ausgabe und begann darin zu blättern.
Er erkannte sie sofort, obwohl das Bild in dem gewählten Bildschirmformat kaum fünf Zentimeter groß war und beim Vergrößern zerfloss. Die Überschrift zum zugehörigen Text lautete: Diesjähriger Hopeman-Preis. Das Bild hatte keine Unterschrift. Aber der Mann, der Ann-Louise den Preis übergab, war leicht als der NSA-Direktor Grey zu erkennen. Den anderen Mann kannte er nicht. Er las den Text.
Der Hopeman-Preis für herausragende Leistung geht in diesem Jahr an Alice Lormant. Der Preis wurde anlässlich der Direktoriumssitzung im Juli von Direktor Ernest Grey und Ryan Donaldson, dem Vorsitzenden des Auswahlkomitees, überreicht. Agent Lormant hat Computerwissenschaft und Mathematik studiert und ist überhaupt erst seit drei Jahren bei uns. Ihre preiswürdige Arbeit erweitert die Netzkontrolle und Netzsicherheit um ein beträchtliches Maß. „Wir haben sicherlich viele außerordentliche Talente in unseren Reihen“, sagte Stellvertretender Direktor Tessenberg in seiner kurzen Lobrede, „aber Alice Lormant ist ein strahlender Diamant unter ihnen.“ Donaldson zitierte einen Satz aus der Entscheidung des Wahlausschusses: „Die Genialität ihrer Ansätze, erkennbar erst auf den zweiten Blick, und die unvergleichlich innovative Umsetzung in die Anwendungspraxis haben uns nachhaltig beeindruckt.“
Er machte eine Bildschirmkopie des Artikels und zog sich seine Spuren verwischend zurück. „Alice. Alice Lormant. NSA-Agent Alice Lormant“, wiederholte er dabei immer wieder mit tonloser Stimme.
33
Das FBI setzte neun Käufer ein, der Secret Service vier. Zunächst schien es so, als ob der von PRIM gesetzte Termin für die Beschaffung der Brillanten nicht einzuhalten war. Deshalb wurden die Chefs der zwei größten Handelshäuser, mit denen man in Kontakt getreten war, auf diskrete Weise in das Weiße Haus gebeten. Auch danach war die Liefersituation zumindest angespannt, aber zwei Tage vor Ablauf des Termins konnte Hoover in der Arena berichten, dass die letzten Steine am nächsten Tag eintreffen würden.
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