PRIM: Netzpiraten (German Edition)
eingerichteten Lesesaal gab es um diese Tageszeit viele freie Plätze, auch bei den Computern. Rust und Werback wählten zwei Tische nebeneinander nahe bei dem leicht bogenförmigen Auskunfts- und Informationsschalter, hinter dessen fünf Monitoren aber zur Zeit nur eine junge Frau zu sehen war. Sie machten es sich auf den Bürodrehstühlen bequem und schalteten die Computer an. Kurze Zeit danach versicherten sie sich gegenseitig laut, dass sie die Internetseite der US-Regierung aufgerufen hatten.
Hoover überließ es der Polizei, einen geeigneten Parkplatz für Spider zu finden. Er sollte nicht weiter als zweihundert Meter von der Bibliothek entfernt sein. Noch bevor Wheelwright mit Spider diesen Platz auf der Park Avenue nahe der 35. Straße erreicht hatte, war ein Secret-Service-Agent an der 34. Straße ausgestiegen und hinüber zur Bibliothek gelaufen. Wheelwright und Krienitz wollten unbedingt einen eigenen Mann ganz dicht bei Rust positionieren. Währenddessen hatten Hoover und Decker einen Rucksack mit einem Mikrofon und einem Sender präparieren lassen. Einer von Deckers Männern trug ihn in die Bibliothek und legte ihn wie selbstverständlich im Schließfach 103 ab. Dann ging er hinauf in den Lesesaal mit den Computern. Kurz danach konnten in Spider, Camper und in der Arena die leicht unscharfen und körnigen Bilder von Werback und Rust an ihren Computerplätzen empfangen werden.
Es war schwierig, Agenten in der Eingangshalle zu platzieren. Jeder, der nicht nur Taschen in den Schließfächern ablegte oder an den Schaltern zu tun hatte, musste auffallen. Hoover vereinbarte mit dem Chef des Wachdienstes der Bibliothek, dass seine Leute Schließfach 104 nicht aus den Augen ließen. Jede Auffälligkeit sollte sofort gemeldet werden. Und prompt erhielt Hoover Meldung über einen „Kunden“, der Gepäck im Schließfach 103 ablegte. Das Mikrofon lieferte nur leises Rauschen, aber auch rhythmische Töne, die schnell als Schrittlaute auf dem Kunststeinboden in der Halle identifiziert wurden.
Der Wachdienst betrieb auch eine Kameraüberwachung der Eingangshalle und der Lesesäle. Die Kameras waren mit Speichern versehen, in denen in Endlosschleifen Bilder in Drei-Sekunden-Abständen aus den jeweils letzten achtundvierzig Stunden aufgezeichnet wurden. Hoover wollte eine Weiterleitung in Camper einrichten, aber die herangezogenen Fachleute erklärten dies für nicht möglich, jedenfalls nicht unbemerkt und in kurzer Zeit. Nun bemühten sich Decker und Hoover um eine hochauflösende Videokamera mit Sender, die in einem unauffälligen Behältnis versteckt und auf dem Tresen der Abfertigung abgestellt werden sollte. Bereits zuvor war festgestellt worden, dass sich hinter den Schließfächern eine solide Mauer befand und der Raum zwischen Mauer und Schließfächern nicht begehbar war.
Das Rohrpostsystem verzweigte nicht in andere Gebäude. Alice hatte unter Mithilfe ihres Teams in Crypto-City Zeichnungen und Beschreibungen herangeschafft. Das Netz diente dazu, Bestellausdrucke in die Untergeschosse zu schicken. Bücher wurden dann mit Kettenaufzügen, die permanent liefen, nach oben befördert und rutschten dort automatisch auf die Tische. Die Bibliothek schien auf die Effektivität des Bestellverfahrens zu schwören, aber Alice war nicht klar, was daran besser oder schneller sein sollte als eine Übermittlung per Computer. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Form von Nostalgie, denn Rohrpostsysteme gab es offenbar in einigen Zweigstellen der New York Library seit Urzeiten. Allerdings wären die Behälter groß genug, den Beutel mit den Brillanten zu transportieren. In den beiden oberirdischen Geschossen gab es insgesamt sechs Stationen, und in den Kellergeschossen vierzehn.
Die Überwachung der Stationen in den Kellergeschossen war schwierig. Alice wies darauf hin, dass es leichter und wirkungsvoller sei, die Aufzüge und Treppen zu überwachen. Aus Brandschutzgründen war jedes Kellergeschoss in zwei Brandabschnitte geteilt. Türen, die bei Bränden automatisch zufielen, schlossen die Abschnitte hermetisch gegeneinander ab. Deshalb hatte jeder Abschnitt einen Fahrstuhl und zwei diagonal in den Ecken gegenüberliegende Treppenhäuser.
Hoover wollte mehr über die Löschmittel erfahren. „Wäre nicht das erste Mal, dass die Täter einen Alarm auslösen, um ein Chaos zu erzeugen, das ihnen die Flucht erleichtert.“
Die Bibliotheksleitung händigte Nick einen Brandschutz- und Fluchtwegeplan mit allen
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