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PRIM: Netzpiraten (German Edition)

PRIM: Netzpiraten (German Edition)

Titel: PRIM: Netzpiraten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Enss
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standen die Sätze: „Limpes umgibt sich mit der Aura eines zerstreuten Professors. Er kann sich erinnern und im nächsten Moment abstreiten, sich erinnern zu können. Seine Einlassungen sind widersprüchlich, ohne dass man ihm ohne weiteres Absicht unterstellen kann. Seine Antworten sind wortreich und abschweifend. Seine Stellung in der Firma lässt eine Kompetenz vermuten, die bei Gesprächen mit ihm nicht erkennbar ist. Die Mitarbeiter und sein unmittelbar Vorgesetzter, Robert F. Talburn (siehe dort), halten große Stücke auf ihn.“
    Limpes’ privater Hintergrund wurde von den FBI-Leuten gleich mit durchleuchtet, entsprechend der Standardprozedur bei jedem, der ihnen ins Visier gerät. Zwei Seiten lang wurden Limpes Geschäfte mit Flaschen seltenen Whiskys aus limitierten Abfüllungen renommierter Brennereien beschrieben, die er sozusagen im Nebenberuf betrieb, vermutlich ohne Kenntnis seines Arbeitgebers oder der Kollegen, und nach den Recherchen des FBI am Finanzamt vorbei. Ein humorvoller Bearbeiter hatte den Teil des Dossiers mit Hochprozenzige Geschäfte überschrieben. Den jährlichen Umsatz bezifferte das FBI auf zirka 75.000, den Gewinn auf zirka 18.000 Dollar. Limpes handelte nicht bei Auktionen, wo Umsatzsteuern und Gebühren anfielen, sondern an mehreren einschlägigen Kauf- und Tauschbörsen über das Internet, die im Gegensatz zu den meisten Organisationen besonderen Wert darauf legten, in den Suchmaschinen gar nicht oder erst weit hinten zu erscheinen. Das FBI nannte vier solcher Handelsplätze und zählte beispielhaft drei seiner Geschäfte auf, ganze drei einzelne Flaschen - LAPHROIG Vintage Reserve Single Islay Malt Whisky, MACALLAN 1959 Pure Highland Malt Whisky und MACALLAN 1951 Single Highland Malt Scotch Whisky -, bei denen Limpes mit einem Einsatz von 2.100 Dollar nach sechs Jahren fast 5.000 Dollar Gewinn erzielt hatte. Als ob diese Zahlen nicht genug aussagten, wurde zusätzlich die jährliche Rendite mit über 22 Prozent angegeben.
    Die Erkenntnisse über Talburn waren viel umfangreicher als die über Limpes. Es waren sogar zwei Bilder von Talburn in dem FBI-Dossier mitgekommen. Alice betrachte lange das Porträt. Es war zwei Jahre alt. Das zweite Bild gehörte zu einem kopierten, etwa zehn Jahre alten Zeitungsausschnitt. Alice hatte diesen Ausschnitt schon einmal beim Googeln mit Talburns Namen gefunden, ihm aber keinerlei Wichtigkeit beigemessen. Talburn stand mit einem Schiffsmodell in den Händen an einem Becken oder Brunnen. Er hatte einen Modellbaupreis gewonnen. Das FBI brachte die Kenntnisse Talburns über elektronische Steuerungen, die er in innovativer Weise bei dem Schiffsmodell angewandt hatte, in Verbindung zu seinen Hackeraktivitäten. Damit war er mehrmals während seines Parallelstudiums der Informatik an der New York University und der Computerwissenschaft an der Columbia University auffällig geworden. Er hatte einige illegale Angriffe, darunter auf die New York State Police und auf Livermore, zugeben müssen, war auch einmal zu einer Geldstrafe von sechshundert Dollar und zwölf Tagen Sozialarbeit in Philadelphia verurteilt worden. Zweimal hatte er - jedenfalls nach den Erkenntnissen des FBI - von sich aus Lücken in Sicherheitssystemen aufgezeigt. Die Firma eBay hatte ihm für den Hinweis und für seine Arbeit, die auch gleich die Beseitigung der Lücke einschloss, ein fünfstelliges Erfolgshonorar gezahlt. Im Bericht des FBI wurde mit auffälliger Betonung darauf hingewiesen, dass Talburn damit Einblicke in die gut geschützten eBay-Programme gewonnen haben musste. Vermutlich waren sie dem FBI nicht zugänglich.
    Der zweite Fall war gleichzeitig mit der eBay-Sache registriert worden, aber der gesamte Absatz war bis auf das Datum geschwärzt worden. Während Alice sich hierüber einen Reim zu machen versuchte, betrachtete sie erneut das Porträt. Sie wippte es zwischen zwei Fingern, und ihre Gedanken schweiften ab auf die Zeit, die sie mit Ann-Louise im MIT verbracht hatte. Auch sie wären beinahe erwischt worden.
    Am nächsten Morgen nahm sie den Regionalzug nach Manhattan, der pünktlich um 8:13 Uhr an der Penn Station ankam. Mit dem Bus - Linie 34 auf der 34. Straße, ganz Manhattan war mit diesen leicht zu merkenden Ost-West-Verbindungen durchsetzt - fuhr sie das kurze Stück zur Park Avenue. Die Weiterfahrt in der zu dieser Zeit überfüllten U-Bahn der Linie 6 in die Bronx dauerte fast eine Stunde, weil die Express Variante zu dieser Zeit nur in die andere

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