PRIM: Netzpiraten (German Edition)
als sie darauf wartete, hatte sie eine Eingebung. Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und wählte die Nummer von Alexander Norwood.
„Ja.“
„Hallo Mr. Norwood, Alice hier.“
Es gab eine kurze Pause. Dann: „Hallo Ann-Louise. Wie schön, deine Stimme zu hören.“
Alice lachte so, dass er es hören konnte. „Sehr gut, Alex. Ich bin allein. Ich habe nur eine kurze Frage.“
„Schieß los!“
„Kennst du einen Jonathan Berkner?“
„Gut geraten! Was sage ich - das ist meine kluge Alice. Ja.“
„Kennst du ihn sehr gut?“
„Du hattest nur eine kurze Frage, Alice.“
„Okay. Ich danke dir. Auf Wiedersehen.“
„Pass auf dich auf!“
11
In den nächsten beiden Tagen verschaffte sich Alice beharrlich eine Vertrauensbasis bei Ronald Limpes. Ihr Charme blieb nicht wirkungslos, aber die größten Fortschritte erzielte sie mit der Bewunderung, die sie offen für Limpes’ Programmierkunst zeigte. Wir sprechen uns hier im Büro mit den Vornamen an, Ann-Louise, hatte er am Tag nach ihrer Ankunft gesagt. Mit der für Limpes typischen Ausführlichkeit erklärte er ihr, wie er die Datenbank von TODAY auf Einträge mit Angaben über einzelne Personen durchsiebt und damit die Grundlage für das Geschäft von DATA TODAY geschaffen hatte. Ein ganzes Jahr lang hatten dann acht Angestellte die Archive von TODAY, die damals noch im Souterrain untergebracht waren, durchgesehen und Daten über Personen in die Datenbank übertragen.
„Wo ist das Archiv denn jetzt?“, hatte sie gefragt.
„Als die Geschäftsleitung sah, wie viel Zeit und Mühe die Journalisten und Redakteure durch die Übernahme der Personendaten in die Datenbank sparten, gab sie das Geld für eine komplette Digitalisierung des gesamten Archivs. Viel Geld. Das haben dann Fachfirmen für uns erledigt. Ich spreche von Dokumenten, Bildern und Zeitungsexemplaren aus über einhundert Jahren. Dann sollte das Archiv entsorgt werden, aber glücklicherweise fand sich eine Stiftung, die das Archiv komplett übernommen hat. Die sammeln alte Dokumente. Angeblich lassen die nur Wissenschaftler Einblick nehmen. Sitzen in Chicago. Unser Chef hat sich aber vorher die ersten drei Ausgaben von TODAY gegriffen. Das ist Wayne Paul Ferrentil. Kennen Sie ihn? Er ist ein ausgezeichneter Whisky-Kenner. Es heißt, ein Freund von ihm hat Sie an uns vermittelt. Das Titelblatt der ersten Ausgabe hängt oben in seinem Büro. In Ferrentils Büro.“
Alice zeigte sich sehr beeindruckt. Ihr Kopfschütteln genügte, um Limpes von weiteren Fragen über ihr Verhältnis zu Ferrentil abzuhalten. Er erklärte ihr, dass allein sechs der Angestellten hier im Raum ausschließlich damit beschäftigt waren, die online-Ausgaben von Zeitungen, Zeitschriften und Sendern auf Angaben über Personen zu durchsuchen. Vier Leute verfassten Nachrufe oder ergänzten bereits geschriebene Nachrufe. Auch hier hatte Limpes die Idee beigesteuert. Die Geschäftsleitung hatte ihm seinerzeit eine Prämie dafür gezahlt.
„Erst haben sie mich ausgelacht. Nachrufe für noch Lebende! Das wäre anstößig und schändlich. Die Betroffenen würden sich dagegen wehren und sogar dagegen klagen. Sie kennen ja unsere Anwälte. Da geht es gleich um Millionen. Abgelehnt!“
„Und dann?“
„Dann hat Bob sich eingeschaltet. Mit Erfolg. Er kann sehr überzeugend sein. Robert Talburn. Er hat ein paar gute Regelungen vorgeschlagen, die auch heute noch fast unverändert in Kraft sind. Die wichtigste ist, dass Nachrufe erst verkauft werden, wenn die betreffende Person gestorben ist. Sie können also bei DATA TODAY nicht Ihren Nachruf abfragen, Ann-Louise, ganz abgesehen davon, dass wir für Studenten ohnehin keine Nachrufe vorhalten. Oder nur, wenn sie Kinder von Berühmtheiten sind. Wir richten uns nach Bedeutung, Bekanntheitsgrad und Alter, wenn wir Personen auswählen, für die wir Nachrufe vorformulieren. Natürlich hat es sich herumgesprochen, dass wir Nachrufe mit jeder Menge Details aus dem Leben liefern. Viele Zeitungen, die Radiosender und die Fernsehstationen haben darüber berichtet, teilweise in - ich sage das mal mit der gebotenen Unvoreingenommenheit - eher scherzhafter Weise. Inzwischen erhalten wir im Durchschnitt jeden Tag hundertzehn Nachrufanfragen über zweiunddreißig Verstorbene. Das ist ein sehr gutes Geschäft. Und es gibt tatsächlich Leute, die an uns schreiben und uns Angaben für ihren Nachruf machen.“
Alice lachte lange und schaute Limpes dabei strahlend an. Es war die
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