PRIM: Netzpiraten (German Edition)
suchen sind, ist nicht auszuschließen. Aber dieser Vermutung Vorrang einzuräumen, halte ich für verfrüht. Wir müssen alle Möglichkeiten weiter in Betracht ziehen. Ganz sicher auch die, dass PRIM vom Ausland aus operieren. Das macht mir am meisten Sorgen. Wir müssen die Steine und Papiere unter Umständen ins Ausland verfolgen, um an PRIM heranzukommen.“
„Es werden ja wohl keine echten Steine sein“, sagte Moore.
„Dazu wollen wir in Beagle gemäß einem gut begründeten Vorschlag von Hoover keine Aussage machen“, antwortete Krienitz schnell und ließ Moore mit vorwurfvollem Blick wissen, dass er sich mit Beiträgen besser zurückhalten sollte. „Überlassen wir das dem Einsatzkommando! Karl Joergensen befürchtet eine Anweisung von PRIM, die Steine als Luftfracht an einen Empfänger im Ausland zu senden. Wo wir nicht oder jedenfalls nicht schnell genug eingreifen können.“
Jetzt schaltete sich Hoover ein. „Für diesen Fall gibt es aber erprobte und für die Erpresser nicht als Manöver erkennbare Vorgehensweisen, die zum Beispiel zu einer deutlichen Verzögerung des Abflugs führen und uns Zeit für Gegenmaßnahmen am Zielort verschaffen.“
Alice notierte für alle sichtbar Stichwörter aus den Redebeiträgen unter der jeweils zutreffenden Nummer ihrer Aufstellung. Ihr Kollege Possling nahm Bezug auf den ersten Punkt in der Liste.
„Eine ausführliche Textanalyse der neuen Mail konnten wir natürlich noch nicht durchführen. Aber ich kann Ihnen folgende erste Einschätzung geben:
Der Text ist wieder in Teilen identisch mit dem in früheren Mails. Dazu kommen einige neue Absätze mit Angaben zur Verpackung und zur Vorbereitung für die Übergabe, und erstmals werden Uhrzeiten genannt. Das 24-Stunden-Format mit vier Ziffern ohne Zwischenzeichen ist in den USA heute durchaus gebräuchlich, vor allem bei der Generation unter vierzig Jahren, und erfährt zunehmende Verwendung. Bei PRIM müssen wir unter Umständen annehmen, dass sie Doppelpunkte zwischen die Stunden- und Minutenzahl gesetzt hätten, wenn sie nicht ganz offensichtlich auf alle Interpunktionszeichen bis auf den Punkt verzichteten. Eine Verschiebung der Herkunftswahrscheinlichkeit etwas mehr in Richtung Europa, wo die vierstellige Darstellung ohne Zwischenzeichen drei- bis viermal so häufig ist wie in den USA, möchte ich deshalb bis auf weiteres nicht annehmen. Die übrigen Auffälligkeiten im gesamten Text entsprechen unverändert denen von früher. Dies ist für uns Analysten eine weitere Auffälligkeit, denn in den meisten Fällen halten Verbrecher eine strenge Form nicht durchgängig bei, wenn sie bewusst gewählt wurde und von gängigen Formen abweicht. Es bedeutet nach meiner Meinung, dass die Täter ihre Mitteilungen mit größter Sorgfalt abfassen. Ich habe ja bereits früher die Vermutung geäußert, dass PRIM sich der Gefahren für eine Entdeckung aufgrund von Textanalysen bewusst sind. Solche Kenntnisse würde man eher nur bei Fachleuten der Polizei und der Geheimdienste vermuten, aber es gibt sie natürlich auch im akademischen Bereich und bei besonders interessierten Laien.
Auch wenn es nicht besonders hilfreich ist, möchte ich Ihnen zum Schluss noch das Ergebnis einer computerbasierten Analyse der Mailtexte mitteilen. Die Analyse war erst nach PRIM-5 möglich, weil die Textmenge zuvor nicht ausreichte. Danach sind die Texte mit einer Wahrscheinlichkeit von vierundsechzig Prozent von einem oder mehreren weißen Amerikanern verfasst worden, die im nordöstlichen Teil der Vereinigten Staaten leben oder längere Zeit gelebt haben.“
Noch während Alice Wahrscheinlichkeit Weiße USA Nordost 64 % unter den ersten Punkt der Liste schrieb, wandte sie sich mit Hinweis auf den zweiten Punkt an die Beagle-Mitglieder. „Es fehlt die Bestätigung von Mrs. Stonington über die Echtheit der Mail. Da aber wieder Schwärzungen vorgenommen wurden, können wir von der Echtheit ausgehen. Ich finde es falsch, Kopien der Mails der Schwestern zukünftig nicht mehr an Beagle weiterzugeben. PRIM benutzen diese Mails zur Sicherung ihres Zugangs ausschließlich zu Mrs. Stonington und damit zur Führung unseres Landes. Wir wissen nicht, was PRIM tun würden, falls Mrs. Stoningtons Mailfach einfach geschlossen würde, aber wir befürchten, dass PRIM dann weitere gestohlene Dokumente aus dem Mailverkehr an einen anderen Adressaten schicken. Für meine Gruppe in Fort Meade sind die Mails ein wichtiger Teil bei den Analysen.“
Moore
Weitere Kostenlose Bücher