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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Ihre Erlebnisse als Zeuge interviewen, und zwar mit exakt denselben Voraussetzungen wie bei allen anderen Zeugen. Sie bestimmen natürlich selbst, ob Sie ein Gespräch wollen. Und was wir außerdem noch drucken, ist eine Entscheidung, in die Sie nicht eingebunden sind. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
    Carl Wennergrens Blick verriet, dass etwas in ihm zerbrochen war. Er hatte einen Ausdruck, den Anders Schyman noch nie gesehen hatte, eine zerstörte Illusion, eine Einsicht über das Leben, die Wennergren zuvor noch nie ereilt hatte.
    »Was denn für ein Interview?«, brach es aus ihm hervor.
    »Der Reporter vom
Abendblatt
spricht über die Mordnacht im Schloss«, sagte Schyman, der plötzlich völlig erschöpft war. Er musste sich setzen.
    »Das klingt ja, als wäre ich irgendeine verdammte alte Vettel«, sagte Carl Wennergren.
    »Haben Sie mal gezählt, wie viele Artikel dieses Inhalts Sie selbst schon geschrieben haben?«, fragte Schyman.
    Der Reporter stellte sich an die Tür, zog sie ein wenig auf und zögerte dann.
    Trotz und Verachtung standen ihm ins Gesicht geschrieben, als er sich umdrehte.
    »Nur dass Sie es wissen«, sagte er und sah den Redaktionsleiter an. »Ich habe Barbara kurz vor drei Uhr morgens am Ü-Wagen gesehen. Es kann durchaus sein, dass sie diejenige war, die Michelle ermordet hat. Soll ich darüber auch sprechen?«
    »Diese Pornobilder kommen nie wieder in die Nähe unserer Rechner«, sagte Schyman.
    Wennergren ging raus, zog die Tür leise zu und eilte zum Desk. Anders Schyman nahm seine nassen Strümpfe in die eine Hand und die Schere in die andere. Dann schnitt er unter dem Tisch die Strümpfe systematisch und konsequent in sehr kleine, fransige Stoffstückchen.
    Als die Kinder in der Tür standen, war Annikas erster Gedanke, dass ihre Gesichter so deutlich waren. Runde Augen hatten sie, in Kalles lag die Süße des Wiedersehens, in Ellens der Vorwurf der Einjährigen, allein gelassen worden zu sein. Ihre Körper waren so warm, gleichzeitig hart und weich, ihre Gerüche so stark. Sie saß auf dem Fußboden im Flur und wiegte sie beide mit Tränen in den Augen.
    »Kannst du mir mit dem Gepäck helfen?«
    Thomas klang auffordernd und erschöpft.
    Sie beeilte sich, die Kinder loszulassen, ging zum Fahrstuhl und trug Rucksäcke, Badetasche, Kinderwagen, Schlafsäcke und Decken herein.
    »In der Küche steht Essen, vielleicht ist es schon ein wenig kalt«, sagte sie, schloss die Tür hinter ihnen und war plötzlich von der Situation überwältigt. Ihre kleinen Kinder hingen an ihrem Bein, ihr Mann war nach Hause gekommen, nach Hause zu ihr, zu ihrem gemeinsamen Leben.
    Das Abendessen verlief angespannt, die Kinder waren übermüdet und aufgedreht, Thomas wich Annikas Blicken aus. Als sie die Kleinen endlich im Bett hatte, war er auf dem Sofa gelandet und sah einen Film. Sie setzte sich neben ihn, nah, aber doch weit weg.
    Erst als sie im Bett lagen, beide auf dem Rücken, die Blicke zur Decke gerichtet, konnte sie reden.
    »Und, wie war es?«
    Er schluckte laut.
    »Sie haben sich natürlich gewundert, dass du nicht mit warst.«
    »Und was hat deine Mutter gesagt?«
    »Sie ist kein beschränkter Mensch«, sagte Thomas.
    »Sverker akzeptiert sie voll und ganz und redet von ihm als ihrem Schwiegersohn, das ist wirklich stark. Die Leute zerreißen sich hinter ihrem Rücken das Maul, aber sie lässt sich nichts anmerken.«
    Annika stiegen heiße Tränen in die Augen, und sie schluckte, um nicht weinen zu müssen.
    »Ich weiß«, flüsterte sie. »Verstehst du nicht, dass dadurch alles nur noch schlimmer wird? Sie ist weder stinkvornehm noch voller Vorurteile, nur mich kann sie einfach nicht akzeptieren. Begreifst du nicht, wie ich mich dabei fühle?«
    Die Tränen quollen über und liefen ihr schwer und salzig in die Ohren.
    »Sie ist einfach nur traurig«, sagte Thomas, ohne sie anzusehen. »Eleonor war die Tochter, die sie nie hatte, die beiden telefonieren immer noch mehrmals in der Woche.
    Aber ihr Kontakt hat gar nichts mit dir zu tun, lass sie machen.«
    »Du tust ihr Leid, weil du mit mir zusammen lebst«, sagte Annika leise und starrte zur Decke.
    Thomas rümpfte die Nase.
    »Was ist denn das für ein dummes Geschwätz. Sie hat einfach andere Vorstellungen. Sie findet ein Haus schöner als eine Wohnung, meint, der Kämmerer sei wichtiger als der Sozialhilfegutachter und, okay, Bankdirektoren sind toller als Zeitungsreporter, aber lass sie das doch einfach denken. Wir leben

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