Prime Time
schließlich in einem freien Land.«
Er drehte ihr den Rücken zu. Sie starrte seine Schulterpartie an, die Tränen rannen lautlos in das Federkissen.
»Ich will, dass wir heiraten«, flüsterte sie.
Er antwortete nicht.
»In der Kirche«, fuhr sie fort, »und ich will ein weißes Kleid, und die Kinder sollen Brautjungfern sein.«
Er warf mit einem Ruck die Decke ab, sein Rücken hob sich kerzengerade vom Licht der Sommernacht ab. Er ließ sie verletzt und sehnsüchtig zwischen dem Bettzeug zurück.
»Thomas! Bitte!«
Ihre Stimme schnitt durch das Zimmer, schwach und dünn, offen für eine Antwort, die jedoch nicht kam. Sie rappelte sich aus dem feuchten zerknitterten Bettzeug, ging hinter ihm her durch die Dunkelheit und sah ihn in der Küche Licht machen. Nackt und zitternd stellte sie sich in den Türrahmen.
»Man kann dich durchs Fenster sehen«, sagte er, der im Bademantel mit einer Zeitung am Tisch saß.
»Warum willst du mich nicht heiraten?«
Er sah mit leerem Blick zu ihr auf.
»Ich war schon einmal verheiratet. Glaube mir, es macht keinen Unterschied.«
»Für mich würde es einen machen.«
»Warum?«, fragte er und schob den Stuhl zurück.
»Möchtest du unbedingt ein Hochzeitsbild in den
Katrineholms-Kurier
setzen?« Sie blieb stehen und versuchte, die verbale Ohrfeige wegzublinzeln.
»Ich tue doch alles für dich«, sagte sie flehend.
Er stand auf und kam auf sie zu. Sein Blick war eisig und feurig zugleich, sie wich zurück und hatte plötzlich ein anderes Bild vor sich, ein anderes Gesicht kam auf sie zu. Sie hörte ihre eigene Stimme nachhallen, ich tue doch alles für dich, mein Gott, das hatte sie schon einmal gesagt, genau dieselben Worte hatte sie schon einmal gesagt, und dieses Gesicht vor sich gehabt mit Augen, die vor Kälte brannten.
»Willst du einen goldenen Ring? Ist es das, was du willst?
Du kannst doch einen Goldring bekommen, wir können morgen einen kaufen.«
Sie drehte sich um und floh in Panik zurück durch die Dunkelheit.
»Annika.«
Seine Stimme hinter ihr war müde, tonlos.
»Annika, tut mir Leid, Annika, komm her …«
Seine Arme um ihre Schultern, der Atem im Nacken.
»Tut mir Leid, das wollte ich nicht.«
Ihre glasigen Augen, weit aufgerissen und trocken von der Hitze, starrten an die Wand.
Das habe ich schon einmal gehört. Das habe ich alles schon einmal erlebt. Ich habe verziehen und verziehen und verziehen.
Sie machte sich los, griff sich Decke und Kissen und ging zum Kinderzimmer.
»Wohin gehst du?«
»Kann dir doch egal sein.«
MONTAG, 25. JUNI
Der Gebäudekomplex, der auch die Wertpapierzentrale beherbergte, lag am ehemaligen Straßenstrich hinter dem Sergels Torg. Es war ein Metall- und Glasgebäude aus den Siebziger Jahren, voller Spiegel und designter Betonwände.
Annika blieb hinter den Türen stehen und klappte ihren Schirm zusammen. Das ambitiös offiziell wirkende Gebäude verursachte ihr Unbehagen, stand im Kontrast zu ihrem Anliegen. Sie war nicht als Journalistin hier, sondern als Schnüfflerin, als Agentin und vielleicht auch Verräterin.
Etwas nervös fuhr sie mit der Rolltreppe nach oben. Im zweiten Stock öffnete sich ein künstlicher Innenhof, ein Glasdach schwebte zwanzig Meter darüber, sie sah mosaikverzierte Springbrunnen und Marmorfußböden, eine Fußgängerbrücke mit weißen stilisierten Laternen, die von braunen verputzten Bürogebäuden umgeben waren. Sie versuchte erfolglos, die surrealistische Hülle wegzublinzeln.
Stattdessen starrte sie zu dem Glashimmel hinauf, ahnte die Streifen der Regentropfen und spürte ihre Feuchtigkeit.
Ich sehe doch nur was nach. Kein Grund zur Panik.
Der Empfang lag rechts vom Eingang. Sie meldete sich mit einem sicheren Lächeln an, trug Namen, Personennummer, Ausweisnummer und Datum in einen großen Ordner ein.
Während die Empfangsdame schrieb, las sie die Namen der Besucher, die vor ihr da gewesen waren. Sie entdeckte einen Reporter von der
Wirtschaftswoche.
»Zu den Computern geht es da vorne rechts. Melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen.«
Zwei flache Bildschirme von Philips summten. Jacke, Tasche und Schirm landeten zwischen den Stühlen auf dem Fußboden. Sie drückte die Enter-Taste, und eine Windows-Marke mit drei kleinen Icons erschien. Sie klickte auf Aktienbücher und erhielt ein Suchformular, in das man den Aktiennamen, eine Personen- oder Firmennummer und den Besitzernamen eingeben konnte. Sie schrieb »Global Future«
unter Aktienname und als Besitzername
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