Prime Time
kauen und sah sie skeptisch und mit großen Augen an.
»Du machst Witze.«
»Worüber?«
Annika versuchte zurückzuweichen und drückte sich weiter in die Sofakissen hinein.
»Es ist nicht deine Schuld, wenn Thomas sauer ist. Was heißt überhaupt Schuld? Klar hat er das Recht, sauer zu sein, aber das macht dich doch nicht schuldig.«
»Na, doch, schließlich war ich diejenige, die ihn geärgert hat.«
»Annika«, sagte Anne ernst und lehnte sich vor. »Du musst damit aufhören, ich kriege ja eine Gänsehaut. Du bist doch nicht für sein Gefühlsleben verantwortlich, was ist das hier, die Sadisten-Vereinigung? Der Verein für Schuldgefühle?«
Es schien keinen Sauerstoff mehr im Zimmer zu geben.
Annika holte Luft.
»Wir sind doch füreinander verantwortlich«, sagte sie.
»Ich verstehe einfach nicht, warum du so unglaublich schwach bist, wenn es um Thomas geht. Überall sonst langst du doch ganz schön zu. Bist du immer schon so gewesen, wenn Männer im Spiel sind?«
Annika atmete schwer, zog die Knie zum Kinn hoch und umarmte fest ihre Unterschenkel.
»Und jetzt nimmst du auch noch die halbfötale Lage ein«, sagte Anne. »Iss mal einen Keks, sonst magerst du noch weg.«
Sie reichte Annika einen Keks, die ihn mechanisch annahm, in den Mund steckte und kaute, ohne etwas zu schmecken.
»Was meinst du denn mit schwach?«, fragte sie, und ein paar Mandelstücke fielen ihr aus dem Mund.
»Weil Thomas es aushält, mit dir zu leben, musst du alle Pflichten im Leben übernehmen. Du machst dich zu einem bleichen Schatten, springst hier herum wie der kleine Hobbysklave und machst und tust. Du hast schließlich mehrere Jahre Elternzeit genommen, und jetzt, wo du wieder angefangen hast zu arbeiten, geht das eben alles nicht mehr so.«
»Ja, aber«, sagte Annika und vermochte keine Kraft mehr in ihren Protest zu legen, »so ist es doch nicht.«
Anne zuckte die Schultern.
»Du bist einfach toll«, sagte sie, »kapier das doch endlich mal. Er sollte total glücklich sein, dass er dich erwischt hat.
Blumen jeden Tag, Küsschen und jubelnde Anfeuerungsrufe, und zum Nachtisch sollte er dich ordentlich durchvögeln.«
Annika merkte, wie das Lachen in ihr hochstieg, die Wärme machte den Körper weich, die Beine fielen wieder auf den Boden.
»Wenn du meinst.«
»Weißt du eigentlich, was Schyman am Laufen hat?«
Anne Snapphane lehnte sich mit einem weiteren Keks zurück. Annika war sofort wieder angespannt.
»Wieso?«, fragte sie. »Was ist denn?«
»Er hat Mehmed angerufen und gefragt, wie lange sie im Sommer noch senden.«
Die Teile fügten sich zusammen wie der Jackpot bei einem Einarmigen Banditen. Annika konnte das Klimpern der Münzen im Kopf hören. Sie lächelte, dieser Teufel.
So also hatte er sich das ausgedacht.
Anders Schyman spürte die Anspannung in der Redaktion wie Elektrizität in der Luft. Es war zu still, zu viele Männer waren um Spiken versammelt. Er schielte auf seinem Weg zum Glaskasten zu ihnen hinüber und sah, dass Carl Wennergren seine Aufforderung, vorzeitig in Urlaub zu gehen, nicht befolgt hatte. Er legte die Jacke ab und schüttelte sie ein wenig aus, ehe er sie an den Haken hängte. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Er hatte einen langen Spaziergang am Wasser entlang gemacht, das Wasser des Mälaren, Süßwasser. Zum Salzwasser vor seiner Haustür zu fahren war nicht möglich gewesen, denn an den Sommerwochenenden waren die Staus auf den Ausfallstraßen Richtung Meer ständig lang, und oft kam der Verkehr ganz zum Erliegen.
Er zog die patschnassen Schuhe aus und stellte fest, dass er im Büro keine anderen hatte. In einem Archivschrank fand er wenigstens ein paar trockene Strümpfe.
Dann betrachtete er die Versammlung um das Desk und die fröhlich faszinierten Gesichter der Männer etwas genauer.
Allein Torstensson durchbrach das Schema, er war auf dem Platz des Auslandsredakteurs geparkt und blätterte müde in einer ausländischen Zeitschrift.
Schyman seufzte, schob die Tür auf und ging hin. Die Männer sahen ihn an, und ein Hauch gemeinsamen Zögerns glitt über ihre Gesichter.
»Wennergren hat die Branche gewechselt«, sagte Spiken mit einem Grinsen. »Er ist Pornofotograf geworden. Er muss nur noch lernen, die Schärfe einzustellen.«
Die Männer kicherten mit glänzenden Augen.
»Drehen Sie den Schirm zu mir«, sagte Schyman.
Die Computerbilder waren wegen der geringen Pixelzahl unscharf, aber das Motiv war dennoch deutlich zu erkennen: Ein Mann und eine
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