Prime Time
Annika abgeklärt.
Das hatte den gewünschten Effekt. Pia sah plötzlich schockiert und beunruhigt aus.
»Glaubst du, dass sie den Mörder bald haben?«
»Schwer zu sagen«, meinte Annika. »Im Moment sitzen zwölf Leute oben im Schloss zum Verhör.«
Pia Lakkinen riss die Augen auf.
»Wirklich?«
Annika streckte sich ein wenig im Regen, sie war es, die den Durchblick hatte. Die nächste Ausgabe der
KK
kam erst am Montag, sie konnte es sich leisten, großzügig zu sein.
»Fast alle gehören zu dem Fernsehteam, das die Sendungen aufgenommen hat«, sagte sie. »Ein paar waren Gäste oder Journalisten, die hierher gekommen sind. Ich kenne alle außer einem.«
Die Lokalreporterin war beeindruckt.
»Es ist schwer, was rauszukriegen, wenn man die Polizisten nicht kennt«, meinte sie. »Ich begreife nicht, was die von der Kripo Stockholm hier wollen.«
»Es ist eine alte Tradition, dass die Kripo in Stockholm auch für das ganze Land Bereitschaft hat«, sagte Annika, »aber das hier sind Leute von der Landespolizei. Und die wissen, wo’s langgeht.«
Pia Lakkinen sah zum Schloss hinüber.
»Ich finde, die meiste Zeit laufen sie hin und her.«
»Die fangen immer damit an, die Umgebung zu untersuchen«, meinte Annika, »nach Schuhabdrücken und so.
Man könnte sagen, dass sie von außen nach innen arbeiten.
Weiß du, wann sie alarmiert wurden?«
Die Journalistin schüttelte den Kopf.
»Die Nachricht kam um 9 Uhr 41 über den Pieper.«
»Ja klar, aber da war ja schon jemand hier, wahrscheinlich eine Streife aus Katrineholm oder Eskilstuna. Die haben festgestellt, dass in dem Ü-Wagen auf der Rückseite des neuen Flügels eine Tote lag. Als die Nachricht über den Pieper ging, hatten sie wahrscheinlich den Tatort selbst bereits abgesperrt und die Zeugen in getrennte Zimmer gesteckt. Die Spurensicherung und die Ermittler waren noch nicht angekommen, aber sicher unterwegs.« Pia Lakkinen sah Annika bewundernd an.
»Ob sie noch da drin liegt?«
»Wahrscheinlich. Als ich eben da war, wurde im Wagen gearbeitet. Ich glaube nicht, dass sie Michelle wegbringen, ehe der Regen nachlässt. Das würde zu viele Spuren kaputt machen.«
»Warst du dort?«
Die Kollegin klang skeptisch.
»Wenn es einen Kampf gegeben hat, wird es schwieriger«, sagte Annika und hörte selbst, wie besserwisserisch sie klang.
»Zum einen wird der Bus untersucht, zum anderen die Leiche. Die sehen die Kleidung durch, prüfen, ob das Opfer schon tot war, als es in den Bus gebracht wurde, oder ob das Verbrechen dort geschehen ist. Wenn sie fertig sind und es aufgehört hat zu regnen, dann bringen sie sie weg.«
»Wegbringen? Wohin denn?«
»In die Gerichtsmedizin. Ich nehme an, dass sie sie ins Karolinska bringen, das ist am nächsten. Dort sind dann neben dem Gerichtsmediziner noch die Spurensicherung und die Ermittler. Die suchen nach Fasern unter den Nägeln und all so was.«
»Igitt«, sagte Pia. Es schauderte sie, und sie versuchte zu lachen. »Und sonst?«
Annika holte tief Luft.
»Ja, danke. Doch, es geht mir gut. Es ist schön, wieder zu arbeiten. Ich habe jetzt zwei Mal hintereinander Elternzeit genommen und gerade erst wieder angefangen.«
»Kümmert sich jetzt an Mittsommer der Vater um die Kinder?«
Annika lächelte.
»Ja, klar.«
»Und wie kommen die Kinder damit klar?«
Pia Lakkinen sah sie mitleidig an. Annika lächelte weiter.
»Gut natürlich. Sie sind alle zusammen draußen auf Gällnö bei Oma und Opa. Wir wollten eigentlich zelten, aber ich hoffe mal, dass sie das bei diesem Wetter nicht tun müssen.«
Die Journalistin sah sie ein paar Sekunden lang prüfend an.
»Wir? Hättest du auch dabei sein sollen?«
»Ja«, erwiderte Annika und lachte. »Aber bei diesem Wetter bin ich genauso gern hier.«
Pia standen Enttäuschung und Misstrauen ins Gesicht geschrieben.
»Dann habt ihr euch also nicht getrennt?«
Annikas Lächeln erstarb.
»Getrennt? Thomas und ich?«
Pia lachte ein wenig.
»Ja, weißt du, man hört so viel, und irgendjemand hat gesagt, ihr wäret auseinander und er hätte dich und die Kinder verlassen.«
Annika erblasste.
»Wer hat das gesagt?«
Pia Lakkinen trat einen Schritt zurück und lächelte ein wenig verlegen. Annika glaubte Hohn und überlegene Schadenfreude in ihrem Gesicht zu erkennen.
»Du weißt doch, wie in einer kleinen Stadt wie Katrineholm geredet wird. Ich glaube, es war jemand an der Kasse im Kvarnen. Aber jetzt muss ich zu meinem Fotografen. Wir sollen das Mittsommerfest in
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