Prime Time
seufzte.
»Nein. Kannst du ihn anrufen und ihm sagen, dass ich immer noch hier bin? Gott, wie ich mich nach Miranda sehne.«
»Der geht es doch prima«, sagte Annika so tröstend, wie sie konnte, während sie den Parkplatz im Auge behielt. »Darfst du mit dem Handy telefonieren?«
»Eigentlich nicht. Bist du hier draußen?«
»Es regnet fürchterlich. Ich habe mich in einem Gewächshaus untergestellt. Traust du dich zu reden?«
Annika hörte, dass die Freundin sich bewegte und irgendwas am Radio änderte, dann Schritte.
»Ein bisschen vielleicht.«
»Kannst du mir bei einer Sache helfen?«, fragte Annika.
»Ich habe mir die Autos auf dem Parkplatz angeschaut, und ich glaube, dass ich jetzt die meisten kenne, die da oben sitzen. Kannst du bestätigen oder verneinen, ob ich Recht habe?«
Anne Snapphane lachte müde.
»Du hast dich nicht verändert. Was willst du wissen?«
»Der Highlander, ist der hier?«
»Ja.«
»Mariana von Berlitz und Carl Wennergren?«
»Yes.«
»Ist Mariana freireligiös?«
»Wenn es für sie gerade praktisch ist. Woher weißt du das?«
»Auf ihrem Auto steht Jesus lebt‹. Und dann ein Mädchen aus Katrineholm, die Hannah Persson heißt?«
»Korrekt.«
»Was macht die hier?«
Anne Snapphane holte tief Luft. Als ihre Stimme wieder zu hören war, hatte sie wenigstens ein bisschen Leben in sich, so als würde es ihr helfen, über etwas Alltägliches zu reden.
»Vorsitzende der NS in Katrineholm, also Neonazi. Sie hat in der letzten Sendung mit zwei Anarchisten debattiert. Da war vielleicht was los. Die Anarchisten sind beide auf das Mädchen und Michelle losgegangen, die Neonazitante kriegte Nasenbluten. Ich musste mit einem der Tontechniker dazwischengehen und hatte am Ende eine Kratzwunde am Kinn.«
»Warum ist sie dann nach der Sendung noch geblieben?«
»Weil man hier umsonst saufen kann. Es hat einfach keiner Lust gehabt, sie nach Hause zu fahren. Hast du noch mehr?«
»Barbara Hanson.«
»Die alte Schlampe, ja, die war natürlich hier, um Michelle wie üblich zu verhöhnen und schlecht über sie zu reden. Sie war natürlich stockbesoffen und schlief schon vor Mitternacht wie ein Stein.«
»Wie steht es mit Karin Bellhorn?«
»Ich habe gerade mit ihr geredet. Sie sitzt im Zimmer gegenüber.«
»Und Sebastian Follin?«
»Das ist Michelles Manager. Er verhandelt alle ihre Verträge für Werbung, Vorträge, Veranstaltungen und so was. Gestern Abend haben sie sich gestritten, aber ich weiß nicht, worüber.«
»Dann Bambi Rosenberg, das Soapgirlie?«
»Genau, Bimbo-Bambi. Michelles beste Freundin. Die war in der letzten Sendung dabei und blieb dann noch zum Abschlussfest. Michelle hatte eine gute Freundin ziemlich nötig, das sage ich dir …«
»Stefan Axelsson, der Sendeleiter?«
»Er hat die ganze Aufnahme vom Bus aus geleitet. Ein sehr guter Sendeleiter, aber ein echter Sauertopf. Der meckert die ganze Zeit über alles und jeden. Er ist auch hier.«
»Und dann noch du und irgendein Technikfritze vom Bus.«
»Genau, Gunnar Antonsson. Der liebt diesen Bus mehr als das Leben.«
»Glaubst du, dass die mit mir reden würden?«
Anne Snapphane konnte sogar lachen.
»Das hängt ganz davon ab, wen du dir greifst«, sagte sie.
»Sebastian garantiert. Stefan nie im Leben. Michelle selbst hätte dir ins Gesicht gespuckt. Nach all dem Scheiß, den ihr über sie geschrieben habt, hasste sie das
Abendblatt
und behauptete, ihr würdet sie verfolgen. Und ich muss sagen, ich bin da fast ihrer Meinung.«
»Ach was«, sagte Annika. »So was muss sie schon abkönnen. Schließlich ist sie eine Person des öffentlichen Lebens. Wer ist der Zwölfte?«
Annika merkte selbst, dass sie von Michelle in der Gegenwart sprach. Das brachte sie aus dem Konzept, und sie hielt ein paar Sekunden inne.
»Er ist schon weg«, meinte Anne.
»Wie denn das? Die Polizei hat doch die ganze Insel abgesperrt.«
»Er ist heute Morgen ganz früh gefahren, ehe Michelle gefunden wurde.«
»Was? Wer war es denn?«
Anne holte so tief Luft, dass es in der Leitung pfiff.
»Tja«, meinte sie, »irgendwann kommt es sowieso raus.«
»Wovon redest du?«
»Es sollte bis zur Sendung geheim gehalten werden. Er hat oben im Musikzimmer im Schloss gespielt, und die anderen Gäste haben ihn gar nicht gesehen. John Essex.«
Annika konnte sich nicht beherrschen.
»Jetzt hör aber auf. Ist das wahr?«
»Oh yeah, man, was für ein Typ das ist, wir konnten alle nur noch sabbern.«
»Ist das dein Ernst? Wie habt
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