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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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die junge Frau vom Schloss her kam, sah Annika, dass Bosse Recht gehabt hatte. Hannah Persson aus Katrineholm machte keinen Hehl aus ihren politischen Überzeugungen: Auf der Wange hatte sie ein Hakenkreuz eintätowiert.
    »Meine Güte, so eine Hardcore-Tussi«, flüsterte Bosse.
    Annika blinzelte in die Sonne und versuchte, hinter der pechschwarzen Schminke und den Tätowierungen die Gesichtszüge der Frau auszumachen.
    Hannah aus Katrineholm, müsste ich die nicht kennen?
    Dann wieder die Einsicht, wie schnell die Zeit vergangen war. Als ich in der Duveholms-Schule aufs Gymnasium ging, war die mal gerade sieben Jahre alt. Sie ist doch immer noch ein Kind. Im Gegensatz zu den anderen Zeugen wirkte Hannah Persson nahezu unberührt von ihrem Aufenthalt im Schloss. Sie ging mit leichten Schritten, sah sich neugierig um und verhielt sich ganz einfach wie eine Jugendliche, die noch keine Angst vor den Konsequenzen ihrer Erlebnisse kennt. Annika meinte ein unterdrücktes Lächeln zu bemerken, als das Mädchen über die Absperrung kletterte.
    Aus irgendeinem Grund wurde ihr davon leicht übel.
    »Woher kanntest du Michelle Carlsson?«, war die erste Frage der Fernsehfrau, die dabei besonders das »du« betonte.
    Hannah Persson blieb stehen, zog an einem Ärmel und lächelte unsicher in die Kamera, die nur einen halben Meter von ihrem Gesicht entfernt war. Annika trat langsam näher und sah, dass sie auf der Stirn einen blauen Fleck und am Hals eine Wunde hatte. »Ich war in der Sendung«, sagte Hannah. Ihre Stimme klang wie ein silberhelles Glöckchen und stand in einem seltsamen Gegensatz zu ihrer äußeren Erscheinung.
    »Warum?«
    Gesichtsausdruck und Haltung der Fernsehreporterin strahlten Skepsis und Respektlosigkeit aus.
    Das Mädchen wurde nervös, leckte sich den Mund und versuchte, weiter zu lächeln.
    »Wir hatten eine Diskussion«, antwortete sie. »Also, wir haben debattiert. Über Feminismus und solche Sachen.«
    »Und warum bist du festgehalten worden? Stehst du wegen irgendwas unter Verdacht?«
    Die Fragen kamen kalt und kurz angebunden, die Kamera summte im Chor mit den Wespen.
    Hannah Persson trat ein wenig zurück, der Kameramann rückte nach. Ihr Kinn begann zu zittern.
    »Wa… warum fragen Sie das?«
    »Du bist von allen am längsten festgehalten worden. Ich meine, hier ist schließlich ein Mord geschehen. Wirst du wegen irgendwas verdächtigt?«
    Das Gesicht des Mädchens verfinsterte sich. Annika sah, dass sich ihr Blick von gespielter Erwartung in aggressiven Trotz verwandelte. Als sie dann sprach, hatte ihre Stimme einen anderen Ton angenommen und klang beleidigt und heiser.
    »Hör auf, Alte«, sagte sie. »Ich will nicht mit dir reden.«
    Die Reporterin wich jedoch nicht zurück. Sie hielt dem Mädchen ihr großes Mikrofon wie eine Waffe entgegen.
    »Bist du bei den Neonazis?«
    Hannah warf den Kopf in den Nacken und schob die Lippen vor, was sie noch jünger aussehen ließ.
    »Ich bin Vorsitzende der Nationalsozialistischen Vereinigung in Katrineholm«, sagte sie mit fester Stimme.
    Da haben wir es, dachte Annika. Das Etikett. Sie ist jemand.
    »Was denkst du über Ausländer?«
    Das Mädchen stellte sich breitbeinig hin.
    »Ich bin für weiße Macht und die weiße Rasse«, erwiderte sie.
    »Du findest also, dass alle Ausländer hinausgeschmissen werden sollten?«
    Die Augen des Mädchens blitzten auf, und man konnte ahnen, wie finster und destruktiv es in ihrem tiefsten Inneren aussah.
    Jetzt hör doch auf, dachte Annika, du machst es doch nur noch schlimmer.
    »Ich finde, dass die Schweden Zugang zu ihrem eigenen Land haben sollten«, sagte das Mädchen.
    »Bist du der Ansicht, dass man Ausländer ermorden sollte?
    Ich meine, Michelle Carlsson war doch eine Ausländerin.«
    Die Fernsehkamera surrte, und der Blick des Mädchens verfinsterte sich. Als sie antwortete, war ihre Stimme samtweich.
    »War sie das?«
    Dann drehte sie der Kamera den Rücken zu und lief durch die kleine Gruppe von Fotografen und Reportern zu ihrem Auto. Annika ging schnell andersherum, stieg über die Mauer und steuerte auf den klapprigen Fiat des Mädchens zu.
    »Woher haben Sie den Revolver?«, flüsterte sie.
    Hannah Persson hatte gerade den Schlüssel in das Schloss der Fahrertür gesteckt und sah erstaunt zu Annika hoch. Ihr Blick war eine Weile leer und ausdruckslos, dann kam plötzlich Leben in sie, und ihr ganzes Gesicht hellte sich auf.
    »Annika!«, rief sie. »Annika Bengtzon! Du bist doch aus

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