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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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sah an den sonnenumfluteten Häusern entlang.
    Eiskalt waren sie im Winter und im Sommer glühend heiß.
    Sie holte tief Luft und beschloss, den Schmerz an sich heranzulassen.
    Aber er kam nicht.
    Rechts der Bürgersteig mit dem aufgesprungenen Asphalt, auf der linken Seite arbeitete sich der Löwenzahn über das Trottoir vor.
    »Wir fahren«, sagte sie und ging rasch zum Auto zurück.
    Als Anne ins Auto gestiegen war, legte Annika den ersten Gang ein, fuhr den Hügel hinauf und erinnerte sich unwillkürlich daran, wie sie hier gewesen war, als sie gerade Thomas kennen gelernt hatte, und feststellte, dass jemand in ihre alte Wohnung gezogen war. Sie erinnerte sich an das zwiespältige Gefühl von Trauer und Erleichterung. Etwas war vorbei, jemand kümmerte sich um das, was einmal ihr gehört hatte.
    »Das da war meine Wohnung. Die Fenster mit den gehäkelten Lampenschirmchen.«
    Sie zeigte in die Richtung und wurde von einem Gefühl der Unwirklichkeit erfüllt. War das wirklich sie gewesen, die hier gewohnt, die hier gelebt hatte? Gut geputzte Fenster, Topfpflanzen. Jetzt war dieser Alltag das Leben eines anderen.
    »Da hat man ja schon nettere Orte gesehen«, meinte Anne Snapphane.
    Sie fuhren rechts an der Kirche vorbei und dann zum Supermarkt. Vor dem Eingang standen ein paar Fahrräder.
    Vergissmeinnicht und Tagetes, die ihre Farbenpracht rauszuschreien schienen, ehe es zu spät war, drängten sich in großen Kübeln vor dem Eingang und zitterten im Luftzug.
    »Arbeitet hier nicht deine Mutter?«
    »Zumindest tat sie das, als ich das letzte Mal von ihr gehört habe«, sagte Annika und wandte den Blick von den Blumen.
    Sie fuhren durch den Ort, am Gemeinschaftshaus, der Minigolfbahn und dem Altersheim, am Eisenwarenladen und am Bahnhof vorbei. Die Häuser wirkten, als würden sie schlafen, die Bäume wiegten sich im Wind, Stein und Asphalt waren warm. Und dann die breite Straße, die den Ort in zwei Hälften teilte und vor der sie als Kind immer so viel Angst gehabt hatte. Jetzt war sie erstaunt, wie schmal und kurz sie wirkte. Die Große Straße, pass an der Großen Straße auf – erst als sie in der vierten Klasse war, hatte sie sich getraut, die Straße zu überqueren.
    Anne hatte das Interesse verloren, sie lehnte sich jetzt mit geschlossenen Augen an die Seitenscheibe.
    Sie überquerten die Bahnlinie an der Kreuzung von Hållsta und fuhren an Erlandssons vorbei. Sie schaltete in den vierten Gang. Sowie das Städtchen hinter ihnen verschwunden war, hörte es auch schon auf zu existieren. Die eingesperrte Vergangenheit platzte wie eine Blase und löste sich auf und wurde vergessen. Etwas anderes begann an ihr zu nagen.
    Den ganzen Tag lang hatte er nicht angerufen. Er war da draußen in seiner Kindheit unterwegs und dachte nicht ein einziges Mal an sie. Die Kinder bauten sich ihre eigene Umgebung ohne sie. Sie gehörte nicht mehr zu den Wurzeln.
    »Willst du Mehmed nicht heiraten?«, fragte Annika.
    Anne Snapphane sah erschöpft und ein wenig erstaunt auf.
    »Heiraten? Bist du nicht mehr ganz dicht? Warum sollte ich das tun?«
    »Ihr habt doch ein Kind.«
    »Ja klar, aber hör mal, wir wohnen ja nicht mal zusammen.
    Spukt dir deine Großmutter im Kopf herum?«
    Annika drehte die Scheibe hoch.
    »Ich möchte gern heiraten«, sagte sie. »Wirklich.«
    »Warum denn das?«
    Sie zuckte mit den Schultern, bremste kurz, als sie ein Reh auf einer Waldlichtung sah, und fuhr dann wieder schneller.
    »Einfach um zu zeigen, dass wir zusammengehören.«
    »Das tun wir doch auch. Hast du etwa Probleme mit dem blöden Gerede?«
    »Vielleicht.«
    Sie saßen schweigend da, während die Lüftung den Geruch eines anderen Autos hereintrug. Der Wald stand bis dicht an der Straße, von der Geschwindigkeit zu einem gleichmäßig grünen Dunst verwischt.
    »Wie war es denn?«, fragte Annika leise.
    Anne sah aus dem Seitenfenster.
    »Furchtbar«, sagte sie dann. »Grauenhaft, wirklich.«
    »Was war das Schlimmste?«
    Anne starrte wieder aus dem Fenster.
    »Die Schuldgefühle«, sagte sie. »Das Gefühl, dass es meine Schuld war. Das Misstrauen.«
    Sie sah Annika von der Seite an.
    »Eine Weile habe ich gedacht, dass sie mich festnehmen würden. Dass sie denken, ich hätte es getan.«
    Annika sah schnell zu Anne hinüber.
    »Warum hast du das gedacht?«
    Anne Snapphane holte tief Luft und sog Kraft in ihre Lungen.
    »Meine Fingerabdrücke waren auf der Mordwaffe.«
    »Jetzt hör aber auf«, sagte Annika. »Wie kamen die denn

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