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Princess 01 - Widerspenstige Herzen

Princess 01 - Widerspenstige Herzen

Titel: Princess 01 - Widerspenstige Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
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umdrehen musste, doch da war niemand. Das Ende der Spitze hatte sich in der Schnitzerei eines Stuhls verfangen. Evangeline befreite sich mit einem Ruck, der das zarte Garn zerreißen ließ. Nur weiter zum Ausgang, vorbei an den sich verbeugenden Kellnern. Vorbei am jammernden Henri zum großen Portal. Vorbei am eleganten Gesellschaftsraum und den geschwungenen Treppenaufgängen, den dunklen, leeren Gang hinunter zur Doppeltür am Ende. Mit zitternden Händen fingerte sie nach dem Schlüssel und konnte ihn kaum ins Schloss stecken. Endlich wollte er passen und ließ sich drehen. Die Tür ging auf, sie trat ein und sperrte sich in ihrem Zimmer ein.
    Mit pochendem Herzen lehnte sie sich an die Tür.
    War der Fremde ihr gefolgt? Schritt er in diesem Augenblick auf ihr Schlafgemach zu, mit jenem seltsamen Ausdruck im Gesicht, der Entschlossenheit und Hochmut verriet?
    Sie würde die Tür verrammeln und sich vor diesem Mann in Sicherheit bringen.
    Sie presste ihr Ohr an das polierte Holz und lauschte angestrengt nach dem Geräusch seiner Schritte, doch das dicke Walnussholz verschluckte jeden Laut. Stand er schon draußen, um jeden Moment anzuklopfen?
    Sie konnte die Anspannung nicht mehr ertragen, holte tief Luft, drehte den Schlüssel und riss die Tür auf.
    Der Gang war leer. Niemand war ihr gefolgt.
    Wie ungeheuer dumm kam sie sich vor, als sie die Tür wieder schloss. Der Riegel rastete mit einem Knacken ein, und sie beruhigte sich wieder.
    Sie musste seine Blicke missverstanden haben, denn sie hatte keine Erfahrung mit Männern. Wie hätte sie wissen sollen, ob er auf einen kleinen Flirt aus war oder auf eine leidenschaftliche Affäre. Sie warf ihre Spitzenstola aufs Bett. Schlimmstenfalls hatte er nur wissen wollen, woher die Stola stammte, weil er seiner Frau die gleiche kaufen wollte.
    Ihre Wangen glühten. Wie musste er sich über ihre Flucht aus dem Speisesaal amüsiert haben. Und bei dem Gedanken an den pikanten Lammbraten, den sie dampfend hatte stehen lassen, knurrte ihr der Magen. Die Mahlzeiten hier im Chäteau hatten einen Appetit geweckt, den glitschige Hafergrütze und zerkochter Rosenkohl ihr verdorben hatten. Auch deshalb bereute sie jetzt ihre Flucht aus dem Speisesaal.
    Sie konnte ihre Handtasche nicht finden. Sie musste den Pompadour in ihrer unsinnigen Eile vergessen haben, und er war, wie alles, was sie trug, sehr teuer gewesen. Sie würde ebenso wenig auf ihn verzichten können wie auf all ihr anderes Hab und Gut, das sie mit all der Genusssucht zusammengekauft hatte, zu der ihre ausgehungerte Seele fähig war. Nein, sie musste die Tasche zurückhaben.
    Wie hatte sie nur glauben können, mit diesem Selbstbetrug davonzukommen?
    Evangeline blickte sich reumütig in ihrem Schlaf gemach um, das von sanftem Kerzenlicht erhellt wurde. Man hatte sie in den ehemaligen Privatgemächern des Herzogs untergebracht. Die Wände waren mit marmoriertem Walnussholz vertäfelt, und Rosenduft erfüllte den Raum. Erhöht auf einem Podest stand das riesige, anheimelnde Bett mit den schweren Brokatvorhängen und der passenden Tagesdecke aus weinrotem Samt. Sie hatte sich in diesem Bett wie eine Prinzessin gefühlt.
    Sie liebte diesen Raum, aber auch die größte Selbsttäuschung hatte sie nicht glauben lassen, er gehöre ihr. Es war an der Zeit, sich die Wahrheit einzugestehen. Sie war eine Hochstaplerin - und eine Diebin.
    Sie kniete sich neben das Bett und tastete an den Seilverspannungen unter der Matratze entlang, bis sie die Reisetasche gefunden hatte. Jede Nacht konnte sie die Ausbuchtung fühlen, die die Tasche in die Matratze drückte. Und es machte sie glücklich, denn die Tasche enthielt den Schlüssel zu ihrer Freiheit.
    Sie bekam die Griffe zu fassen, zerrte die Tasche hervor und machte sie auf. Dann nahm sie die gebündelten Pfundnoten heraus, legte sie auf den Teppich und begann zu zählen.
    Dreitausend englische Pfund. In weniger als einem Monat hatte sie die Hälfte ihrer zweifelhaften Erbschaft ausgegeben.
    Evangeline schlug die Hände vors Gesicht. Sie versuchte, die bittere, kalte Wahrheit zu verdrängen, doch es gelang ihr nicht. Sie musste zurückkehren, bevor sie Leonas ganze Hinterlassenschaft damit verschwendet hatte, dem Traum von Abenteuer und Romantik nachzujagen. Zurück ins trostlose, neblige England mit seinen langen Wintern.
    Es würde genug Geld übrig sein, um einen kleinen Buchladen zu eröffnen - so weit von East Little Teignmouth entfernt, wie nur möglich. Sie wusste mehr über

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