Principia
Richtung – ritt und eigentlich gar nicht wollte, dass man sie sah, wie sie mit ihren wie die Hannover’sche Flagge hinter ihr her flatternden Haaren über einen großen, freien Platz galoppierte.
Sie hätte zurückreiten und Johann helfen sollen. Doch was immer in der Drury Lane geschehen war, war jetzt sicher vorbei. Und wenn sie mittendrin auftauchte, würde er abgelenkt und vermutlich getötet werden. Was aber war der beste Weg, Johann zu helfen? Seine Anweisungen zu befolgen, damit er wusste, wo er sie finden würde. Er hatte erwähnt, dass aus der Umgebung von Covent Garden mehrere Straßen zur Strand hinunterführten, der sie (was sogar ihr klar war) in östliche Richtung wenigstens bis St. Paul’s bringen konnte. Also zog sie fest an den Zügeln, was ihr Pferd unmittelbar vor der freien Fläche des Garden mit rutschenden Hufen zum Stehen brachte; dann lenkte sie es unerbittlich nach links in eine verheißungsvoll breite Straße, die schon nach kurzer Zeit unweigerlich auf eine schmalere Straße stieß. Nachdem sie sich auf gut Glück für eine Richtung entschieden hatte, kam sie an eine weitere kleinere T-Kreuzung, und so ging es immer fort, als wäre der Straßenplan dieser Gegend eine teuflische Schlinge, die nur dem Zweck diente, Menschen in die Irre zu führen. An der dritten Kreuzung hatte sie ganz und gar die Orientierung verloren. An der fünften hatte sie eine kleine Horde von Jungen hinter sich. An der sechsten hatten sich ein paar gefährlich aussehende Männer zu den Jungen gesellt. Die siebte Kreuzung führte zu einem Weg, der wahrhaftig sehr schmal war. Und außerdem eine Sackgasse.
Doch als sie einen flüchtigen Blick über die Schulter hinter sich warf, stellte sie mit Erstaunen fest, dass ihre Verfolger allesamt verschwunden waren.
Unten am Ende der Straße waren ein paar Sänften zu sehen, deren Träger rauchend und plaudernd herumstanden; allerdings verstummten sie einer nach dem anderen, als Caroline heranritt. Ganz am Ende der Straße befand sich eine Tür, die von Laternen beleuchtet wurde und mit einer Art Wirtshausschild geschmückt war, auf dem eine Katze Geige spielte. Dahinter konnte Caroline viele Männer schwatzen und lachen hören. In dieser Türöffnung stand ein Mann in Pförtnerlivree: etwas ordentlicher anzusehen als diejenigen, die Sänften durch Rinnsteine und Pfützen trugen. Er rührte sich, als sie näher kam, nahm die Pfeife aus dem Mund und sprach Prinzessin Caroline auf eine Weise an, wie es bis dahin noch kein Mann getan hatte: »Holla, mein Frollein, Ihr seid ja ein fesches kleines Ding in Eurer Reithose, und aufgemacht wie ein Mann! Wie ich sehe, plant eins unserer ehrenwerten Mitglieder fürwahr einen besonderen Abend. Ihr habt also Eure Rute mitgebracht?«
Sie brauchte einen Moment, bis sie den Sinn seiner Worte erfasste, doch dann wurde ihr klar: Er meinte die Reitgerte, die an ihrer Hüfte baumelte. Sie tastete danach und hob sie unsicher hoch.
Der Portier nickte grinsend. »Ich wette, Ihr seid hier wegen des Bischofs von -«
»Was für ein Ort ist das hier?«
»Oh, keine Bange, Ihr seid am richtigen Ort«, antwortete er, während seine Hand sich um den Türgriff legte.
»Aber wie heißt er?«
»Seid nicht albern, das ist der Kit-Cat Clubb!«
»Ach so!«, rief Caroline aus, »ist Dr. Waterhouse hier? Er ist derjenige, den ich treffen will!«
Leicester Fields
ZUR SELBEN ZEIT
Für diese Hannover’schen Frauen hatte Eliza unterschiedliche, mal mehr, mal weniger redliche Aufträge erledigt und viele Opfer auf sich genommen, aber das hier war in mancher Hinsicht das Unangenehmste von allem: hier und jetzt eine Kutschfahrt zu unternehmen. Eine Kutsche war nämlich, mochte sie auch noch so schön verziert und von Türen und Fenstern durchbohrt sein, zwangsläufig ein Kasten, und sich in einer so kritischen Lage in eine Kutsche einzusperren, lief ihr ganz und gar zuwider.
Sie hatte den Tag nie ganz vergessen, an dem sie und etliche andere Haremmädchen, alle in ihren Burkas, in einem Tunnel unter Wien zusammengetrieben worden waren, um ihrer Hinrichtung zu harren. Die Schreie der Frauen zu hören , ihr Blut zu riechen und zu wissen , was da geschah, selbst aber nur ein winziges Fleckchen Licht sehen und die Hände nicht benutzen zu können, es sei denn dazu, Dinge durch den schlüpfrigen Stoff hindurch zu fassen: Das war für sie der schlimmste Augenblick ihres Lebens gewesen, das, was sie seitdem mit aller Kraft hinter sich zu lassen versucht
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