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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Hannover’schen Schaluppe bringen sollte. Wenige Tage darauf würden sie in Antwerpen sein, und noch einmal ein paar Tage später zurück in Hannover. So viel zu ihrem Plan. Allerdings hatte Caroline bis jetzt eins nicht bedacht: Falls die Verkleidung wirkte und ihre Feinde glauben machte, sie sei nicht Caroline, die Prinzessin, sondern Charles, der Niemand – was würde es da schon ausmachen, wenn ein solcher Niemand mit durchschnittener Kehle und um seine Geldbörse erleichtert im Fleet Ditch gefunden würde?
    An Johanns linker Seite war eine Lücke entstanden. Sie bohrte ihrem Pferd zweimal die Absätze in die Flanken und trieb es an, bis es neben ihm lief. »Was liegt dort drüben?«, fragte sie und deutete genau in die Richtung (nach links oder nach Norden über den Broad St. Giles’s hinweg), in die der Mann auf dem Dach des Armenhauses schaute.
    Johann überlegte. Auf dieser Seite waren mehrere Straßenmündungen sichtbar. Aus einer davon ergoss sich eine Welle von Mähnen, Perücken und Pferdeschwänzen: vier, vielleicht sogar ein halbes Dutzend Reiter. Ihre Gesichter waren auf diese Entfernung nicht zu erkennen – aber sie hatten eindeutig den Feuerschein entdeckt, da sie alle zu dem Armenhaus hinüberblickten. Caroline schaute in diese Richtung zurück; ihr Blick auf den Spion war jetzt zum größten Teil durch den Schornstein versperrt, aber sie konnte einen gestikulierenden Arm sehen, mit dem die Reiter auf einen Kurs gewinkt wurden, der sie Johann und Caroline näher brächte.
    »Die, aus der die Reiter kommen, ist die Dyot Street – sie führt zur Great Russell hinauf und -«
    »Ravenscars Haus?«
    »Ja.«
    »Dann glaube ich, dass wir unsere Feinde verwirrt haben, und zwar auf eine Weise, die uns gefährlich werden könnte«, erklärte Caroline. »Ich glaube, sie halten uns für Boten mit einer wichtigen Nachricht von Eliza an den Marquis von Ravenscar – oder allfällige Whig-Anführer, die sich in seinem Haus aufhalten mögen. Diese Reiter, fürchte ich -«
    »- wurden an der Dyot Street postiert, um jegliche derartige Meldung abzufangen«, ergänzte Johann, »und jetzt sind sie hinter uns her. Lasst uns etwas schneller reiten – aber nicht galoppieren, wir dürfen keine Angst zeigen – und nach rechts in die Drury Lane abbiegen. Das wird uns von Ravenscars Haus wegführen und Zweifel an der Vorstellung wecken, dass wir Boten sind.«
    »Über die Drury Lane habe ich so manches gehört -«
    »Wir werden wie zwei junge Herren aussehen, die nach Huren Ausschau halten«, pflichtete Johann ihr bei. »Macht Euch keine Sorgen. Drury Lane ist die Grenze zu einem unsicheren Bezirk. Viele von denen, die hier wohnen, sind heute Abend zum Broad St. Giles’s hinaufgeschlendert. An der Peripherie entlangzureiten, ist nicht ganz so gefährlich. Mitten durch natürlich schon – aber das werden wir nicht tun. Schnurgerade die ganze Drury Lane hinunter, bis zur Strand.« Und damit lenkte Johann sein Reittier rechts herum in die Drury Lane. In dem Versuch, mit ihm mitzuhalten, machte Carolines Pferd einen Satz nach vorne, wobei sie fast ihre Perücke wieder verloren hätte. Von hier aus sah die Drury Lane unendlich lang und, selbst für Londoner Verhältnisse, schrecklich planlos aus: sie wurde schmal und breit und wieder schmal und breit, so als hätte hier nie ein Geometer eine Schnur gespannt, und Gebäude neigten sich von ihr weg oder sackten über ihr zusammen wie Betrunkene auf einer Spelunkenbank. Sie sah keine Feuer, was ihr eher vorteilhaft erschien; vielleicht wurde die Drury Lane heute Abend den Huren, Zuhältern und Taschendieben überlassen, gerade so wie andere Straßen und Kreuzungen als Felder auf dem Whig/Tory-Schachbrett dienten.
    »Ich habe etwas gesehen«, sagte sie, »eine Handbewegung. Ich fürchte, dass man sich an uns vergreifen wird.« Sie konnte sich einen Blick auf Johanns italienisches Rapier nicht verkneifen, das an seiner linken Seite baumelte.
    Johann versuchte, mit Humor davon abzulenken. »Dann ist es ja gut, dass mein rechter Arm frei ist«, sagte er, während er damit in der Luft herumfuchtelte, »und sich auf unserer verwundbaren Seite befindet«, wobei er auf das in Dunkelheit gehüllte Viertel zu ihrer Rechten deutete. »Und gut auch, dass Ihr ein Schwert habt.«
    »Nur einen Degen.«
    »Genau, einen Stoßdegen. Heute trägt niemand mehr Rapier und Dolch. Ich bin ausgerüstet wie ein alter Mann.«
    »Darüber bin ich froh«, sagte Caroline, denn Johanns Waffe sah aus wie

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