Principia
lang vom Pflaster lösten. Gleich darauf verschwand die Trägheit aus dem Gefährt, und es bewegte sich ruckartig vorwärts auf seinem neuen Kurs gen Westen. Die Kutsche fiel krachend auf ihre vier Räder zurück, und Eliza wurde nach rechts geschleudert, dann, als das Gespann kräftiger anzog, wieder in die andere Richtung. Was zurückblieb, war die Erinnerung an ein flüchtiges Geräusch, das, weil es so scharf gewesen war, sogar durch den Lärm dieses Manövers hindurch an ihre Ohren gedrungen war: vielleicht der Knall der Peitsche, vielleicht aber auch ein Pistolenschuss. Allerdings hatte es den Anschein gehabt, als wäre es von unmittelbar außerhalb des linken Fensters gekommen. Sie bildete sich ein, es hätte etwas von einem Splittern gehabt. Vielleicht eine Radspeiche, die nachgab, als der seitliche Bremsklotz der Kutsche arretiert wurde. Vielleicht sollte sie den Kutscher anweisen, heftige Rechtskurven zu vermeiden. Oder hatte er das Geräusch auch gehört und wollte keine Ratschläge bekommen?
Ihr Widerwille gegen den Kasten und der leidenschaftliche Wunsch zu wissen, was da vor sich ging, drängten sie, den Kopf aus dem Fenster zu stecken und nach vorne zu schauen. Die reine Vorsicht riet jedoch davon ab. Die Pferde galoppierten jetzt. Ein paar Ellen weiter würden sie eine T-Kreuzung erreichen und entweder nach links oder nach rechts in die Hedge Lane einbiegen müssen. Sie stützte die Füße an der gegenüberliegenden Bank und die Hände an den Seitenwänden ab und betete, dass sie nach links abbögen. Mittlerweile war sie nämlich davon überzeugt, dass das herzschlagähnliche Umpta-umpta-umpta , das sie zu ihrer Linken hörte und durch das Skelett der Kutsche hindurch spürte, von ein oder zwei schwachen Speichen kam.
Diese Taktik – eine Fahrt in Rammgeschwindigkeit durch die Straßen Londons – kam ihr, die sie in dem Kasten saß, verrückt vor. In Wirklichkeit war sie es nicht unbedingt, denn die Kutsche verfügte (wie ihr jetzt wieder einfiel) über eine lange Stange – der Ramme einer Galeere nicht unähnlich -, die sich zwischen allen Pferdepaaren des Gespanns hindurch, deren Geschirre mit ihr verbunden waren, bis ganz nach vorne erstreckte. Diese Dinger brachten immer wieder Menschen den Tod: manchen durch Pfählung und anderen, indem ihnen der Schädel eingeschlagen wurde. Selbst wenn man davon ausging, dass tatsächlich eine jakobitische Reiterschwadron versucht hatte, ihnen die Flucht auf die Hedge Lane zu versperren – und das musste ein Hirngespinst gewesen sein, oder? -, würden sie alle dieser tödlichen Stange aus dem Weg gehen, sobald sie erkannt hatten, dass sie zu schnell war, um noch anhalten zu können. Was sie anschließend tun würden, wenn sie sich wieder gesammelt und ihre Wut von Neuem genährt hätten, war eine andere Geschichte – über die sie sich später immer noch Sorgen machen konnte.
Es schien jedenfalls funktioniert zu haben, denn die Geschwindigkeit der Kutsche ließ nach, noch während Eliza voller Anspannung auf den Zusammenstoß wartete, und das Gefährt begann sogar mit einer Wendung – Gott sei Dank nach links und nicht so schnell – auf die Hedge Lane. Und eigentlich war es keine vollständige Wendung, sondern ein rascher Schwenk nach links in die nächste, nach Westen führende Straße, Little Suffolk, die schnurgerade auf den Hay Market zulief und sie unmittelbar vor der mit zwei Dreifachbögen versehenen Fassade des italienischen Opernhauses abladen würde, das Vanbrugh und die Whigs hier gebaut hatten.
Während dieses Manövers hörte sie um sich herum Pferde und laut rufende Stimmen, konnte aber keine einzelnen Wörter verstehen, bis sie ganz in die Little Suffolk Street eingebogen waren und einen regelmäßigen Kanter erreicht hatten, der sie in erheblich weniger als einer Minute zur Oper bringen würde. Diese Sekunden zu vergeuden, erschien ihr sinnlos. Überall um sie herum konnte Eliza die Reiter jetzt absurde Dinge rufen hören wie: »Halt!« und »Ich verlange, dass Ihr diese Kutsche anhaltet!« Das wollte sie auf keinen Fall, aber ebenso wenig wollte sie, dass der Kutscher die Pferde antrieb, wenn jemand Anstalten machte, ihn zu erschießen. Das Wichtigste war die Täuschung.
Sie riss das Fenster auf der linken Seite der Kutsche auf und erhaschte einen Burka-Eindruck von mehreren Reitern, die ganz plötzlich verstummten; was so erfreulich war, dass sie auf die rechte Seite rutschte und auch dieses Fenster aufriss. Sie wagte einen Blick
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