Principia
Sänftenträger gezwungen worden zu sein, denn seine Arme hingen durchgestreckt seitlich an seinem Körper, und in jeder Hand steckte das Ende einer aus einem riesigen Stoßzahn geschnitzten und an der Spitze mit einer goldenen Kappe versehenen Stange. Dicht hinter ihm kam die Last, die von diesen Elfenbeinstangen getragen wurde: letztlich doch keine Sänfte, sondern ein Kasten. Sie Kasten zu nennen, war allerdings so, als würde man Versailles als Jagdhütte bezeichnen, denn dieses Behältnis war zum größten Teil aus Bernstein gearbeitet, und was nicht Bernstein war, war Elfenbein oder Gold. Aus dieser Entfernung mutmaßte Daniel, dass die besten Goldschmiede der Christenheit Jahre darauf verwandt hatten, es zu schnitzen. Nicht dass seine alten Augen aus dieser Distanz Einzelheiten zu erkennen vermochten; er wusste nur, dass es so sein musste, denn genau so schien Peter vorzugehen. Auf die Bernsteintruhe folgte an den hinteren Enden der Stoßzähne ein fremdartig aussehender Bursche, den Daniel als Kosak einordnete. Den Reigen beschloss der ältere Mann mit dem grauen Bart und der schwarzen Scheitelkappe, den Daniel vorher neben Peter auf dem Schandeck bemerkt hatte. Er war Jude. Was Daniel zu dieser Vermutung veranlasste, war dessen Position unmittelbar neben diesem phantastischen Kasten-auf-Stangen, der genau wie die Bundeslade aussah, von den Russen neu interpretiert, mit nordischen Materialien und in französischem Stil umgearbeitet. Er wurde durch ein sich gedämpft unterhaltendes Gefolge hindurchgetragen und auf einer Kiste abgesetzt.
Leibniz räusperte sich und sprach mit einer Stimme, die von allen gehört werden sollte. »Die Platten für die Logikmühle, die Ihr uns freundlicherweise vor ein paar Wochen geschickt habt, sind am zehnten Juli (nach englischer Zeit gerechnet) in der Akademie in St. Petersburg eingetroffen. Euer bescheidener Diener und die anderen Vertreter Seiner Majestät« (dabei schien er den alten Juden anzuschauen) »haben sie sorgfältig geprüft und Seiner Majestät berichtet, dass sie in Ordnung sind.« Kikin versuchte, das alles auf Russisch weiterzugeben, aber Peter schien mehr oder minder zu wissen, was gesagt wurde, und ging zu der Bernsteintruhe hinüber. Er hob ihren Deckel und tat, als wollte er ihn beiseitewerfen; der Kosak fing ihn auf, ehe er zu Boden fiel, verbeugte sich und trat wieder zurück. Peter griff in das mit Samt ausgeschlagene Innere der Truhe und zog mehrere Platten heraus. Das Gold blitzte in der Mittagssonne. Mr. Orney zuckte zusammen und hob den Blick zu der öffentlichen Straße, die an der landeinwärts gelegenen Seite seiner Werft entlangführte. Eine ziemlich große Postenkette aus Schlammlerchen, unabhängigen Hafenarbeitern, Diebesfängern, Lumpen, Vagabunden, Straßenräubern, Taschendieben, Ausreißern und Renegaten hatte sich dort bereits gebildet, wie Fliegen auf dem Rand eines Ciderglases.
Daniel fiel eine Veränderung im Aussehen der Platten auf: Insgesamt schienen sie zwar alle gut behandelt worden zu sein, aber jeder von ihnen fehlte ein Stück. Irgendjemand hatte systematisch aus der Ecke jeder Platte ein fingernagelgroßes Stück ausgeschnitten.
Der Zar bemerkte, dass Daniel es bemerkt hatte. »Ich habe Monsieur Kohan befohlen, die Platten zu prüfen«, ließ er über Kikin verlauten und nickte dem betagten Juden zu.
»Salomon Kohan zu Euren Diensten«, sagte der Jude auf Englisch. Darüber hinaus musste er sich des Lateinischen bedienen, um sich verständlich zu machen. »Aus der Tatsache, dass keine der Platten Löcher in die Ecken gestanzt hatte, habe ich geschlossen, dass diese Ecken für die Funktionsweise Eurer Logikmühle nicht von Bedeutung waren. Und so habe ich bei jeder einzelnen ein Stück von der Ecke entfernt, um den Feingehalt Eures Goldes zu prüfen, wie Caesar es mir befohlen hatte.«
Was Daniel alles verstand, bis auf die Anspielung auf Caesar. Dann besann er sich darauf, dass »Zar« lediglich eine Übersetzung dieses alten lateinischen Titels ins Russische war.
»Und was habt Ihr Caesar in Bezug auf die Qualität des Goldes berichtet?«
»Die Wahrheit natürlich.«
»Natürlich. Aber verschiedene Menschen haben verschiedene Ansichten darüber, was Wahrheit ist, und ich würde gerne Eure erfahren, Sir.«
»Nein. Der Sinn der Prüfung ist ja gerade, dass sie keine Sache von Meinung, Geschmack oder Diskussion ist. Sie ist, was sie ist.«
»Ihr beruft Euch auf das Tetragrammaton. Aber Menschen können sogar dessen
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