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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Dessen Besitzer hatte Peter, als er ihn mit großen Schritten auf sich zukommen sah, einfach die Zügel an den Kopf geschmissen und war abgesprungen. Später warf er Peter für den Fall, dass er sie brauchte, noch die Peitsche hoch. Auch die Fischweiber waren sonderbar willfährig; sie verließen ihre Buden und stellten sich am Rand des Anlegers in einer Reihe auf, um sich an dem Schauspiel zu ergötzen. Das war es also, dachte Daniel, was Peter damit durchkommen ließ: nicht die Tatsache, dass er der Zar war (was ja niemand wusste), sondern das Spektakel seiner Ankunft. Es spielte keine Rolle, wie viele Einnahmen den Leuten verloren gingen; das Geld, das sie heute verdienten, würden sie morgen schon ausgegeben haben, dieses Erlebnis dagegen würde ihnen bis ans Ende ihrer Tage Erzählstoff liefern. Außerdem war dieser Ort ein Markt und kein Palast, Parlament, College oder Gotteshaus. Märkte zogen eine bestimmte Sorte von Menschen an, so wie jene Orte auch. Und die Menschen, die einen Markt als angenehmen und lohnenden Aufenthaltsort betrachteten, waren auch die, die schnell umdenken und sich mühelos auf unvorhergesehene Ereignisse einstellen konnten, kurz: die quecksilbrigen. Der Kutscher dieses Kohlenkarrens hatte vielleicht zehn Sekunden Zeit gehabt, sich seinen nächsten Schritt zu überlegen. Dennoch hatte er sich entschieden . Und vermutlich richtig. Daniel bemerkte, dass mindestens einer der Begleiter des Zaren dem Mann einen Beutel hinwarf.
    In diesem Wagen, der für den Transport von großen Kohlenladungen gedacht war, jetzt aber unter der entsprechenden Menge an Gold, Kosaken und Naturphilosophen ächzte, fuhren sie durch die Straßen von London. Etwas leichter wurde die Ladung in der Threadneedle Street, wo das Gold für die Bezahlung der Schiffe im Kellergewölbe der Bank von England hinterlegt und einem von Mr. Kikin verwalteten Konto gutgeschrieben wurde. Danach wurde Daniel neben Peter auf den Kutschbock gebeten, um ihm den Weg nach Clerkenwell Court zu zeigen.
    Kikin war irgendwie auf die Ladefläche des Kohlenwagens verbannt worden, wo er sich auf Russisch mit Salomon Kohan und einem Adligen unterhielt, der anscheinend in finanziellen Dingen etwas zu sagen hatte. In Ermangelung eines Dolmetschers schlugen Peter und Daniel einander Satzfragmente in verschiedenen Sprachen um die Ohren, bis sie sich schließlich auf Französisch einigten. Der Zar beherrschte es einigermaßen, wenn er sich einmal darauf eingelassen hatte; sich in einer Fremdsprache zu unterhalten, erforderte nur mehr Geduld, als Peter im Allgemeinen aufzubringen bereit war. Da Daniel das spürte, beschränkte er seine Bemerkungen auf Dinge wie »Biegt an der nächsten Ecke links ab« und »Fußgänger zu überfahren ist verpönt« etc. Doch nach einer Weile gewann seine Neugier die Oberhand. Das lag zum Teil daran, dass sie an der Rückseite von Bedlam entlangfuhren und Daniel panische Angst hatte, Peter könnte sich dafür interessieren und hineingehen, um alles über Geisteskranke zu erfahren. »Also«, sagte Daniel, »dieser Salomon Kohan ist ein interessanter Bursche. Wo zum Teufel habt Ihr ihn aufgetrieben?«
    »Bei der Plünderung von Azov«, antwortete Peter. »Er hatte sich aus irgendeinem Grund dorthin begeben und hielt sich als Gast des Paschas in dessen Palast auf, als wir die Stadt belagerten. Warum fragt Ihr?«
    »Äh …, ich weiß es eigentlich gar nicht. Nennt es die Neugier des gemeinen Mannes in Bezug auf die Frage, wie ein Kaiser sich seine Leute zusammensucht.«
    »Das ist kein Geheimnis. Findet die Besten und lasst sie nicht mehr gehen.«
    »Woher wusstet Ihr, dass Monsieur Kohan zu den Besten gehörte?«
    »Die schiere Menge an Gold, die wir bei ihm gefunden haben«, antwortete Peter, »war Empfehlung genug.«
    Sie verließen London in Cripplegate, fuhren also auch ein Stück durch die Grub Street. Sie wurden jedoch nicht bemerkt, was Daniel in seinem schon lange gehegten Argwohn gegenüber Zeitungsschreibern nur bestätigte; deren Auswahl an Themen, für die man sich zu interessieren hatte, kam ihm seltsam willkürlich vor. Während sie weiter gen Westen fuhren, begann er allerdings zu verstehen, wie es kam, dass ein hünenhafter Zar mit einem Kohlenwagen voll Gold und Don-Kosaken durch die Stadt fahren konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Sie näherten sich Smithfield mit seinem Beigeschmack von Viehtrieben, Fleischmärkten, brennenden Scheiterhaufen und Gewaltsuchenden. Viele der Feuer, die am

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