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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ausbrüchen irgendwelche Vorgänge störten, hatte sich mitten in die Gruppe gedrängt, die herabhängenden Sackleinenfetzen zusammengerafft und begonnen, das offen daliegende Gold so gut es ging zu bedecken, als wäre es für ihn ebenso schockierend wie eine nackte Frau. Peter beobachtete die hektischen Bemühungen des Nonkonformisten mit derselben wachen Neugier, die er auf alles andere verwandte, und stellte Kikin eine Frage. Kikin erklärte, während er auf die vielen faszinierten Müßiggänger deutete, die von der Straße, von den Ästen in der Nähe stehender Bäume und von Dächern aus zuschauten. Plötzlich begriff Peter, richtete den Blick wieder auf Orney, den er in einem neuen Licht sah, und verstand den Grund für diese ausgeprägte Nervosität. Der Zar schaute hinüber zu einer Formation von ungefähr zwei Dutzend Kosaken, die am Rand der Werft herumstrichen, und brüllte ihnen einen Befehl zu.
    » Njet !«, rief Kikin, aber die Kosaken schwärmten bereits mit gezogenen Schwertern in Richtung Straße aus.
    »Was hat er gesagt?«
    »›Bringt sie alle um‹«, antwortete Kikin und versuchte dann, dem Zar etwas Kompliziertes zu erklären, was der in diesem Moment nicht im Geringsten zu hören gewillt war. Die Hälfte seiner Ausführungen wurden ohnehin von einem Lärm in der Nähe übertönt. In Rotherhithe waren die Kosaken los, und mit einem ungeheuren Maß an Geschrei und Gebrüll hatte die Partie begonnen. Peter hatte Kikin ganz offensichtlich gesagt, er solle den Mund halten. Kikin blickte flehentlich in die Runde. Daniel ergriff das Wort, wobei er Peter kurz in die Augen schaute und danach dessen Gürtelschnalle anstarrte. »Die Behandlung von Kriminellen ist hier so lasch und das Land folglich in einem so unordentlichen Zustand, dass, selbst wenn Seine Majestät ein ganzes Kosakenregiment mitgebracht und jeden im Umkreis von einer Meile über die Klinge hätte springen lassen, die Sicherheit von Mr. Orneys Anlage nach Sonnenuntergang nicht gewährleistet werden könnte, wenn bekannt wäre, dass das Gold hier ist. Es muss zur sicheren Aufbewahrung nach London transportiert werden. Wir könnten Wagen kommen lassen, oder -«, und er wies mit dem Kopf auf die russische Galeere.
    »Der Vorschlag des Doktors ist angenommen«, verkündete Kikin zu gegebener Zeit. »An Bord der Galeere ist noch mehr Gold: zum einen, um Mr. Orney die Schiffe zu bezahlen, vorausgesetzt, sie halten einer sorgfältigen Prüfung stand, und zum anderen, um das Institut der Technologischen Wissenschaften für die nächste Phase der Logikmühle zu bezahlen. Das alles muss sicher an verschiedene Stellen in London gebracht werden. Seine Majestät hat deswegen verfügt, dass das spezielle Gold von der Minerva unverzüglich in die Galeere umgeladen wird. Dann werden wir alle uns nach London aufmachen.«
    Van Hoek gab das alles seiner Besatzung weiter. Unterdessen sagte Orney: »Sosehr ein Teil von mir sich auch freut, das Blut des Pöbels in die Rinnsteine von Rotherhithe laufen zu sehen, so möchte ich doch mit allem Respekt Bruder Peter ersuchen, die pelzbemützten Burschen mit ihren Säbeln an die Grenzen meines Grundstücks zurückzubeordern.«
    »So soll es geschehen«, sagte Kikin nach der üblichen Pause, obwohl Daniel fand, dass Peter ein klein wenig gekränkt aussah. Doch dann verzog sich infolge irgendeines neurologischen Pfuschs das Gesicht des Zaren, und der Augenblick war vorüber.

Billingsgate Dock
    SPÄTER AM SELBEN TAG
    Vor der Schnellwaage von Billingsgate entdeckte Peter eine Schlange wuchtiger Kohlenwagen und beschloss, dass diese besser geeignet waren, Tonnen von Gold durch London zu befördern, als die leicht gebauten Kutschen und Sänften, die wie Kakerlaken an den Ufern des Flusses auf und ab wuselten. Und so wurde der ganze Fisch- und Kohlenhandel für eine Stunde lahmgelegt, während die Galeere sich mit Gewalt ihren Weg in das Dock von Billingsgate bahnte. Das war für niemanden ratsam außer für einen Zaren auf Besuch. Jeder, der auch nur ein kleines bisschen englisch aussah, wäre von den Fischweibern in Stücke gerissen worden, kaum dass er die Werft betreten hätte. Daniel – der ja zufällig englisch aussah – war während dieses ganzen Manövers wie gelähmt vor Angst. Doch innerhalb von dreißig Sekunden, nachdem der Zar vom Dollbord der Galeere auf das schuppenartige Pflaster der Billingsgate Wharf gesprungen war, saß er schon, die Zügel in der Hand, auf dem Kutschbock eines leeren Kohlenwagens.

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