Printenprinz
früh. Er würde Fragen sammeln und über die Vielzahl von Fragen zu Antworten kommen. Viele Fragen blieben wahrscheinlich unbeantwortet, aber das war ihm einerlei, sofern sie nicht mit von Sybars Tod zusammenhingen.
Er wollte Lieselotte nicht mit seinen Theorien belasten. »Lass uns zurückfahren«, bat er. »Für heute soll es genug sein.«
»›Heute‹ ist gut«, lachte seine Partnerin. »Heute ist schon gestern, wir haben bereits morgen.«
Wie verabredet, rief er aus dem Auto Hamacher an. »Wie Sie sehen, habe ich alles richtig gemacht. Rein und raus, ohne einen Fehler.«
»Sie sind halt ein Guter, Chef«, lobte Hamacher. »Wie ich Sie kenne, wird niemand merken, dass Sie überhaupt da waren.«
»Das könnten wahrscheinlich nur der alte und der junge von Sybar auf einen Blick«, entgegnete Böhnke. »Der Alte würde feststellen, dass ein Buch fehlt. Und der Junge würde erkennen, dass nicht nur zwei, sondern sogar drei Aktenordner fehlen.« Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr. »Übrigens sind mir Elisabeth von Sybar und Landmann zuvorgekommen. Sie haben ausgerechnet die beiden Ordner mitgenommen, an denen ich nach der Lektüre des Tagebuchs auch interessiert bin.«
»Oha. Das kommt mir merkwürdig vor. Braut sich da was zusammen, Chef?«
»Kann sein, muss aber nicht«, beschwichtigte Böhnke.
Es war nicht in seinem Sinne, wenn Hamacher sich zu viele Gedanken machte.
»Es wäre schön, wenn Sie die beiden nicht darauf ansprechen. Und es wäre schön, wenn Sie niemandem sagen, dass ich heute in der Firma war. Mir ist es ganz lieb, wenn ich außen vor bleibe und mich keiner auf einer Rechnung hat.«
»Chef«, Hamacher wirkte aufgeregt, »glauben Sie denn, das hat was mit dem Anschlag auf Peter von Sybar zu tun? Das wäre ja ein Ding.«
Ob er nichts bei der Kripo gelernt habe, meinte Böhnke schmunzelnd. »Bevor wir wild spekulieren, lassen Sie mich zunächst einmal in Ruhe recherchieren. Also …«
Hamacher mischte sich forsch ein: »Also Klappe halten. Wird gemacht, Chef. Ich habe Sie seit Jahren nicht mehr gesehen, wenn mich einer nach Ihnen fragt.«
8.
Er müsse einen verdammt guten Draht zum Wettergott haben, meinte Lieselotte, als sie sich am Montagmorgen verabschiedete, um nach Aachen zu fahren.
Nach der Prognose im Radio und in der Zeitung würde das nasskalte Wetter noch bis mindestens Mitte der Woche anhalten; was zugleich bedeutete, dass an einer Arbeit im Freien nicht zu denken war.
»Commissario, du bist ein Glückspilz, die Frau aus dem Haus und Gartenarbeit unmöglich. Da hast du ja genügend Zeit, dich mit deiner Lektüre aus dem Hause von Sybar zu vergnügen«, sagte sie scherzhaft, drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange und verabschiedete sich bis Samstag. »Du kannst mich ja in Aachen besuchen kommen, wenn dir langweilig ist«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Böhnke schwieg. Er hatte sich seinen Zeitplan zurechtgelegt, und wenn es erforderlich war, würde er zur seiner Liebsten fahren, falls er etwas in Aachen zu erledigen hatte. Aber das würde von der Ermittlungsarbeit in den nächsten Tage abhängen.
Noch einmal nahm er sich die Aachener Zeitung vor, die er vor dem Frühstück aus dem Kasten gezogen hatte, wobei er sich einmal mehr darüber ärgerte, dass sie an den Ecken durchnässt war. Der Bote wollte einfach nicht kapieren, dass er das Blatt komplett einstecken musste. Er hatte im Laufe des Jahres schon mehrfach reklamiert, aber offenbar war der Bote so wenig lernfähig wie ein Klinkerstein in einer Hauswand. Mit einer Tasse frisch aufgebrühten Kaffee machte er es sich zur Lektüre am Küchentisch bequem. Er wollte in aller Ruhe noch einmal die Berichterstattung über von Sybar lesen.
Ein Journalist, dessen Name er nicht kannte, hatte in mehreren Artikeln über die Familie, das Unternehmen und über mögliche Zukunftsperspektiven geschrieben und dabei einen Schwerpunkt auf die Rolle des Seniorchefs gelegt. ›Wo ist der Printenkönig?‹, lautete die Schlagzeile des Aufmachers.
Die Antwort folgte schon im ersten Satz: ›Heinrich von Sybar ist wie vom Erdboden verschluckt!‹, las Böhnke. ›Niemand weiß, wo er sich aufhält, geschweige denn, ob er überhaupt noch lebt. Hartnäckigen Gerüchten zufolge ist der Aachener König der Printen schwer herzkrank. Somit liegt die Vermutung nahe, dass er sich in medizinische Behandlung begeben hat. In renommierten Herzkliniken in Deutschland wie etwa in Bad Nauheim oder Bad Oeynhausen ist er allerdings nicht, wie unsere
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