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Printenprinz

Printenprinz

Titel: Printenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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hat. Aber darauf wollte er nicht eingehen. Er hat mir jedenfalls eingeschärft, ich solle gefälligst darauf achten, dass nichts wegkäme. Immerhin sei ich noch Leiter des Wachdienstes.« Er pustete durch. »›Noch‹ hat er besonders betont. Sieht nicht gut aus für mich, Chef. Der Landmann hat mich auf dem Kieker, glaube ich.«

    Es dauerte doch länger, als Böhnke gedacht hatte, bis er endlich mit den Mitteln des öffentlichen Personennahverkehrs an der Printenfabrik ankam. Die Dämmerung setzte bereits ein, als er das Firmengelände betrat.
    »Du musst ganz groß ›Blödmann‹ auf der Stirn stehen haben«, schimpfte er mit sich nach der quälend langen Busfahrt.
    Aber sein Groll war verraucht, als er winkend Hamacher in der Pförtnerloge begrüßte.
    Der ehemalige Kollege gewährte ihm gerne Zutritt und bot freundschaftlich Stuhl, Kaffee und Printen an. »Ich habe, ehrlich gesagt, heute nicht mehr mit Ihnen gerechnet, Chef.« Er hielt ihm die angebrochene Printenpackung hin.
    »Erst die Arbeit.« Böhnke lehnte dankend ab und deutete auf seine Aktentasche. »Ich tausche oben zuerst einmal ein Tagebuch und zwei Aktenordner.«
    Hamacher nickt zustimmend. »Sie kennen sich ja aus, Chef. Ich kann leider nicht mit.« Er deutet auf die Telefonanlage. »Habe jetzt Dienst. Und achten Sie bitte darauf, dass Sie nicht zu vielen Mitarbeitern über den Weg laufen. Einige sind noch in den Büros. Aber oben, in der vierten, da sind Sie ganz alleine.«
    Böhnke wickelte seinen Tausch rasch ab, ohne von jemandem gesehen zu werden. Im Büro von Peter von Sybar wurde er sofort fündig und steckte den Ordner ein, der ihm vielleicht das Geheimnis um Mandelhartz offenbaren würde. Die anderen beiden stellte er an ihren ursprünglichen Platz zurück. Im Büro des Seniorchefs hielt er sich noch kürzer auf und tauschte die Tagebücher. Nach wenigen Minuten kehrte er zu Hamacher zurück. Dann stoppte er erschrocken in seiner Bewegung.
    »Ich glaube, ich habe im Büro des Seniors das Licht ausgeschaltet«, murmelte er vor sich hin. Er vermutete, gewissermaßen unbewusst den Lichtschalter betätigt zu haben, wie immer, wenn er abends ein Zimmer auf Dauer verließ.
    Hastig durchschritt er das Gebäude und ärgerte sich prompt über den Aufzug. Immer, wenn man es eilig hatte, ließ er auf sich warten. Wahrscheinlich wurde er von Mitarbeitern genutzt, die in den Feierabend wollten, sodass der Kommissar notgedrungen durchs Treppenhaus stiefelte. Der Mann, der ihm dort gedankenversunken entgegenkam, registrierte ihn nicht; der wollte schnell nach Hause, alles andere interessierte ihn nicht.
    Seine Befürchtung bewahrheitete sich. Das Büro von Heinrich von Sybar lag im Dunkeln. Sofort korrigierte er den Zustand, der Eingeweihte auf die fehlende Marotte des Alten aufmerksam gemacht hätte. Das würde ihm nicht noch einmal passieren, nahm Böhnke sich vor.
    Aufatmend nahm er wieder an der Seite von Hamacher Platz und vergewisserte sich noch einmal über die neuen Bücher in der Aktentasche, die während seiner Dienstzeit zu einem seiner Wahrzeichen geworden und gemeinsam mit ihm gealtert war. Viele Kollegen in der Behörde hatten sich gefragt, was er in dieser Tasche aus braunem Leder verstaute, aber niemand hatte es gewusst. Morgens hatte er stets beim Dienstantritt die Tasche auf die rechte, äußere Ecke seines Schreibtischs gelegt, abends nahm er sie wieder mit, ohne sie geöffnet zu haben. Erst bei seinem Abschied aus dem Dienst hatte er die Frage nach dem Inhalt seiner Aktentasche beantwortet. In ihr befand sich ein leerer Schreibblock. »Ein Geschenk meines Vaters, als ich meine Ernennungsurkunde erhalten habe. Wenn ich einmal bei meiner Arbeit Langeweile haben sollte, sollte ich auf diesem Block aufschreiben, warum mir langweilig ist.«
    Den Block besaß er immer noch, und immer noch war er unbeschrieben.

    Kaum hatte er die Kaffeetasse in die Hand genommen, da wurde die Tür zur Pförtnerloge aufgerissen.
    »Wer war im Zimmer meines Vaters?« Die Stimme der schwarz gekleideten Frau überschlug sich vor Aufregung.
    »Wieso?« Hamacher mimte den Erstaunten. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Als ich eben zufällig über die Straße fuhr, habe ich gesehen, dass das Licht ausgeschaltet ist«, antwortete Elisabeth von Sybar hastig.
    Sie war eine attraktive Frau, urteilte Böhnke. Selbst in ihrer Trauerkleidung sah die Frau Mitte 40 gut aus. Sie war schlank und groß, mit mittellangen, braunen Haaren, die ihr dezent geschminktes Gesicht

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