Printenprinz
wie Meier, Müller oder Schulz. Alles Schmitz oder was?«, scherzte er plump. »Ich jedenfalls kenne keinen.«
»Auch nicht Fritz Schmitz, der heute als Witze Fritze auftritt?«
»Ach, den meinen Sie. Stimmt, der heißt auch Schmitz.« Mandelhartz lächelte. »Den kenne ich nicht mehr als jeden anderen Künstler aus der Karnevalsszene. Man läuft sich halt gelegentlich über den Weg.« Er blickte flüchtig auf die Uhr, als ein Gong ertönte. »Es wird Zeit. Wir sollten auf unsere Plätze.«
Ehe Böhnke noch eine Bemerkung machen konnte, war Mandelhartz in der feierwilligen Menschenmenge verschwunden.
»Ich glaube, du hast recht. Dem Schleimbeutel kannst du nicht trauen«, sagte Lieselotte. »Ich brauche wahrscheinlich einen neuen Steuerberater.«
Langsam schoben sie sich in den großen Saal vom Eurogress. Bunte Dekorationen an den Wänden, mächtige Trauben schwarzer und gelber Luftballons an der Decke und auf der Bühne ein Hintergrundbild, das den Markt mit dem historischen Rathaus darstellte, empfingen sie. Die beiden Plätze in einer mittig gelegenen Tischreihe hatte Lieselotte schnell gefunden.
Sie hatten in der engen Reihe kaum ihre Stühle besetzt und die Nachbarn begrüßt, da mussten sie schon wieder aufspringen, weil alle Besucher aufsprangen zum Einmarsch des Elferrates und anderer Ordensträger, darunter auch Mandelhartz.
Von Begeisterung konnte bei Böhnke keine Rede sein, als um ihn herum geklatscht, gesungen und gejubelt und ein »Oche Alaaf!« vom nächsten Schlachtruf übertönt wurde. Wenn er sich nicht eingeredet hätte, dass diese Art von Karneval mit Garden und Gruppierungen, Gesängen und Anführern letztendlich eine Verballhornung der französischen Besatzungszeit im 19. Jahrhundert war, hätte er das Treiben fast schon mit paramilitärischen Attributen versehen. Aber so war alles nur ein Spaß.
Doch die Jecken hatten dabei nicht die Realität aus dem Auge verloren. Kaum hatte sich der Elferrat platziert und die Garden stramm auf der Bühne gestellt, wurde es still im Saal, als der Sitzungspräsident an den tragischen Tod des früheren Aachener Karnevalsprinzen Peter II. erinnerte und um eine Gedenkminute bat. Sie dauerte sogar länger, im Hintergrund erklang eine getragene Melodie, die Böhnke an ein Beerdigungslied erinnerte, dessen Namen er vergessen hatte. Zu Ehren von Peter II. und in seinem Gedenken würde die Veranstaltung stattfinden, betonte der Sitzungsleiter, ehe er heiter und beschwingt die Bühne für das närrische Programm freigab.
Auf dem Begleitzettel vor sich auf dem Tisch waren die Teilnehmer aufgelistet und beschrieben. So gab eine Gruppe mit dem Namen ›Hätzblatt‹ den musikalischen Auftakt, nach dem Zettel die erfolgreichste Gruppe, die jemals an der ›Närrische Hitparade‹ des WDR-Radios teilgenommen hatte. Die fünf Musiker hatten kaum ein Stück angestimmt, da sang der Saal schon mit – Böhnke ausgenommen. Der Auftritt gefiel ihm ebenso wenig wie die komödiantische Darstellung des Landlebens durch ein Trio aus dem Wurmtal, das aus zwei Mann bestand, einem katholischen und einem progressiven Bürgermeister. Der dritte Mann war nur Tarnung, so der Programmzettel, und würde aus Steuergründen für das Finanzamt angegeben. Die aktuelle Politik, in flotten Sprüchen und gängigen Melodien verpackt, präsentierte ›Et Zweijestirn‹, ehe unter gewaltigem Jubel die ›Drei Atömchen‹ auftraten. Ihre Öcher Lieder wurden voller Inbrunst vom textsicheren Publikum mitgesungen, wobei wieder Böhnke die Ausnahme war. Er glaubte schon, die Stimmung im Saal und seine könnte gar nicht besser werden, als ein hoch aufgeschossener, älterer, ganz in schwarz gekleideter Mann unbeholfen über die Bühne stolperte. Selbst Böhnke wusste sofort, welche Rolle gespielt wurde. Es gab den Auftritt der legendären Aachener Kultfigur Lennet Kann.
Böhnke verband damit ein Verbrechen: Ein Lennet-Kann-Darsteller war vor einigen Jahren entführt worden. Er hatte den Fall mit Grundlers Hilfe klären können.
Pause. Endlich war Pause. Die Besucher kamen langsam zur Besinnung, Böhnke schnaufte durch und staunte beim Blick auf die Uhr. Fast eineinhalb Stunden hatte dieser Teil gedauert. Mit der frohgemuten Lieselotte im Arm suchte er im Foyer ein stilles Eckchen, in dem sie in Ruhe ein Mineralwasser trinken konnten. Ihr hatte die Sitzung bisher sehr gut gefallen, und auch Böhnke hatte nichts zu mäkeln, was für ihn als Karnevalslaien fast ein Lob war.
»Dreh dich nicht um«,
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