Printenprinz
und gemeinsam hatten sie ihn zu einem gemütlichen Häuschen umgebaut. Verloren hatte er durch den Umzug in die Nordeifel nichts, im Gegenteil. Dank Lieselotte und Grundler lernte er das friedliche Aachen kennen mit seiner kulturellen Vielfalt sowie seinen grünen Inseln und somit die angenehmen Seiten der Stadt, von der er zuvor vornehmlich die kriminellen wahrgenommen hatte. Aachen war ja, so gesehen, eine größerer Vorort von Huppenbroich.
Ermattet ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Der Weg war doch länger und anstrengender gewesen, als er gedacht hatte. Zwar hatte der Regen endlich aufgehört, aber immer noch blies der ungewöhnliche Ostwind die Eiseskälte ins Gesicht. Aachen war als Regenloch bekannt, wenn sich die Wolken, die sich über der Nordsee gebildet hatten, vom Westwind getrieben, an den ersten Eifelhängen abregneten. Aber diese Konstellation mit Ostwind und gewaltigen Regengüssen, die war ungewöhnlich und laut meteorologischer Fachliteratur nahezu ausgeschlossen. Doch die Natur hielt sich weder an die Wetterkunde noch an Expertenmeinungen.
Er geduldete sich, bis Lieselotte endlich Zeit für ihn hatte.
»Warum hast du überhaupt ein Handy?«, fragte sie ungehalten, nachdem sie die Bürotür geschlossen hatte.
Mit dieser schroffen Eröffnung hatte er nicht gerechnet.
»Da will ich dir etwas sagen, und du hast das Ding nicht an«, sagte sie vorwurfsvoll.
Er konnte ihr nicht widersprechen. Bei seiner Busfahrt nach Aachen hatte er das mobile Telefon ausgeschaltet, nachdem urplötzlich der Radetzky-Marsch in seiner Hosentasche ertönt war und seine Mitreisenden ihn hämisch oder böse grinsend ins Visier genommen hatten. Jemand hatte sich verwählt. Noch so eine Peinlichkeit vor allen Leuten hatte er sich ersparen wollen. Prompt hatte er vergessen, das Gerät nach seiner Ankunft wieder zu aktivieren.
Wenn Lieselotte ihn über Handy hatte erreichen wollen, musste es dringend gewesen sein. Nur im äußersten Falle würde sie ihn belästigen, hatte sie ihm versprochen, nachdem sie ihn endlich dazu gebracht hatte, sich ein Mobiltelefon anzulegen. Er hatte immer den Standpunkt vertreten, er brauche weder ein Auto noch ein Handy, und war mittlerweile doch froh, wenn er, dank Lieselotte, darauf zurückgreifen konnte.
»Was war denn so wichtig?«, fragte er vorsichtig.
»Ich dachte, es würde dich und deinen Kollegen Hamacher interessieren, dass Heinrich von Sybar noch lebt«, sagte sie beiläufig, als wolle sie Böhnke daran erinnern, er möge beim Hausputz nicht vergessen, den Topfpflanzen Wasser zu geben.
»So?« Sofort wechselte er von seiner Ruhephase in einen konzentrierten Zustand. »Wie kommst du denn darauf?«
Sie lächelte ihn an, während sie wie ein junges Mädchen auf die Platte ihres Schreibtisches hüpfte und die Beine baumeln ließ. »Heute gegen zehn, halb elf ist eine Kundin in die Apotheke gekommen. Sie sagte, sie sei eine Freundin der Ärztin, mit der der alte von Sybar unterwegs sei. Heute hat sie von ihrer Freundin eine Mail erhalten.« Genüsslich zog sie aus einer Plastikablage ein Blatt Papier hervor. »Hier ist der Ausdruck. Den hat sie mir mitgebracht. Willst du ihn lesen?«
Als er nach den Blatt greifen wollte, zog sie es schnell zurück. »Nur, wenn du mich zum Essen einlädst.«
»Her damit!«, brummte Böhnke.
Neugierig überflog er die wenigen Zeilen: ›Liebe Walburga, gehe mit dieser Mail bitte in die Apotheke von Frau Kleinereich. Ich möchte euch schreiben, dass es uns gut geht. Wir sind im Dschungel am Äquator in Ecuador. Heinrich lebt richtig auf. Ich fühle mich wie neu geboren. Bis bald. Margarethe.‹
Böhnke staunte mit offenem Mund und brachte damit Lieselotte zum Lachen. »Du guckst gerade so dumm als wie ein doofes Schwein, Commissario.«
Er winkte wirsch ab. Wieso war die Mail an Lieselotte gerichtet? Er konnte sich nicht erinnern, mit von Sybar bei den Gespräch auf dem Friedhof über seine Partnerin gesprochen zu haben. Vielleicht kannte ja die Ärztin Lieselotte oder hatte Grundler sie und ihre Beziehung erwähnt, als er mit dem Printenfabrikanten über die Kontaktaufnahme gesprochen hatte. Aber das war jetzt eine zweitrangig, sagte sich Böhnke. Er betrachtete den Ausdruck. Einen Absender hatte die Mail nicht, jedenfalls keinen Absender, dem man eine Antwort hätte schicken können.
»Das habe ich doch längst für dich überprüft«, meldete sich Lieselotte. »Ich bin internetmäßig wahrscheinlich dreimal fitter als wie du digitaler
Weitere Kostenlose Bücher