Printenprinz
Neandertaler. Die Mail wurde heute in einem Internetcafé in Quito abgesetzt. So, und jetzt geht’s zur Stadtschenke, mein Lieber!« Beschwingt hüpfte die Apothekerin von der Schreibtischplatte. »Ich habe Hunger und ich habe kalt. Ich brauche unbedingt was Warmes.«
Böhnke folgte ihr gedankenversunken. Insgeheim fühlte er sich erleichtert und zugleich befremdet. Der alte von Sybar lebte, aber er hatte allem Anschein nach noch nichts von dem Familiendrama in der Heimat mitbekommen. Sonst hätte die Mail einen anderen Wortlaut gehabt. Der Kommissar war gespannt, was Grundler dazu sagen würde, wenn er ihn am späten Nachmittag traf.
Aus der gemütlichen Plauderstunde zu zweit in Grundlers Kanzlei wurde es nichts. Es wurde vielmehr eine hitzige Auseinandersetzung, bestehend aus einem Quartett mit zwei sich aggressiv gegenüberstehenden Doppeln.
Elisabeth von Sybar und Landmann schauten entgeistert auf, als Böhnke gut gelaunt und ohne Vorankündigung in das Büro trat. Die beiden saßen vor seinem breiten Schreibtisch, hinter dem sich Grundler in seinem Sessel fläzte.
»Da man sich gegenseitig kennt, brauche ich ja niemanden vorzustellen«, sagte der Anwalt lakonisch. Er war aufgestanden und hatte einen weiteren Stuhl geholt, den er neben den Sessel stellte und Böhnke anbot. »Wollen Sie oder soll ich?«, fragte er höflich.
In Jeans und Sweatshirt wirkte er, als habe er bereits die Freizeit begonnen, während Landmann im grauen Anzug und Elisabeth im eleganten Kostüm den Eindruck weltmännischer Geschäftigkeit versprühten. Da passte Böhnke in seinem Freizeitlook schon rein optisch besser an Grundlers Seite als an ihre.
Böhnke winkte ab. Es blieb selbstverständlich beim Siezen, wenn Fremde in ihrer Nähe waren. Ihre Duz-Freundschaft war ihre persönliche Angelegenheit, die nicht jeder kennen musste.
»Machen Sie ruhig weiter, dann weiß ich wenigstens, was ich als Neuigkeit beitragen kann. Wir ersparen uns Wiederholungen.«
Grundler schmunzelte kurz. »Also, anscheinend haben es Frau von Sybar und Herr Landmann eilig, unsere Kanzlei von ihren Verpflichtungen zu entbinden. Ist natürlich nicht so einfach, weil wir ja die Vollmacht des Seniorchefs haben.«
»Die ist doch nichts wert«, platzte Landmann zornig dazwischen. »Wer weiß denn, ob der überhaupt noch lebt?«
»Das ist der Punkt, an dem wir gerade stehen«, erklärte Grundler mit einem Blick zu Böhnke.
»Wir kommen nicht weiter und drehen uns im Kreis mit unseren Argumenten. Und dann kommen Sie hereingeschneit.«
»Gerade im richtigen Moment, denke ich. Vielleich kann ich ja hilfreich sein«, bot der Kommissar höflich an.
»Brauchen Sie nicht!«, keifte die Witwe. »Wir lassen meinen Vater für tot erklären. Das werde ich in den nächsten Tagen in die Wege leiten.« Wütend starrte sie Grundler an. »Aber garantiert nicht mit Unterstützung Ihrer unfähigen Kanzlei.«
»Entschuldigen Sie.« Böhnke unterbrach ihren gerade erst begonnenen Redeschwall. »Just dazu kann ich etwas beitragen.« Geradezu triumphierend lupfte er die ausgedruckte E-Mail aus seiner Jackentasche. »Kam heute an.«
Interessiert blickte Grundler über das Blatt, ehe er es wortlos weiterreichte.
Verärgert funkelte ihn Elisabeth von Sybar nach der Lektüre an. »Was soll das? Das besagt doch gar nichts. Das kann ja jeder geschrieben haben. Und diese Frau kenne ich überhaupt nicht. Wer soll das sein, Margarethe?«
»Das ist die Freundin Ihres Vaters. Dr. Margarethe Hopfenbach«, antwortete Böhnke ruhig. »Ich weiß es«, fuhr er schnell fort, »weil Ihr Vater es mir gesagt hat.«
Ungehalten schüttelte Landmann den Kopf. »Das wird ja immer doller mit Ihnen. Erst turnen Sie ungefragt bei uns in der Fabrik herum, dann behaupten Sie, den Vater von Elisabeth zu kennen. Sonst noch was?«
»Ja«, antwortete Böhnke knapp, »aber dazu später.«
»Richtig, immer der Reihe nach.«
Böhnke freute sich, dass sein Zusammenspiel mit Grundler harmonierte. Der Anwalt hatte aufmerksam zugehört und wieder die Gesprächsleitung übernommen.
»Zunächst einmal wollen wir festhalten, dass es Ihnen verdammt schwerfallen wird, Ihren Vater für tot zu erklären«, sagte er, auf die E-Mail zeigend.
»Das ist doch kein Beweis, sondern bloß ein Blatt Papier mit einem Text«, schnaubte Landmann.
»Korrekt«, stimmte ihm der Anwalt zu. »Ein Beweis ist das nicht. Aber der Text ist plausibel und das reicht zunächst. Man weiß, dass Herr von Sybar und Frau Dr. Hopfenbach auf
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