Printenprinz
gab. Er verabschiedete sich, um noch den letzten Bus Richtung Simmerath zu erreichen.
»Bis Sonntag«, rief ihm Grundler hinterher.
14.
Am liebsten hätte er die Zusammenkunft am Sonntag abgesagt. Er fühlte sich nicht gut. Vielleicht hatte er sich ja doch zu viel aufgehalst in den letzten Tagen. Er sehnte sich nach Ruhe, Menschenleere, Stille und willkommene Unterbrechungen mit den Wochenenden, an denen Lieselotte von Aachen hinaufkam in ihr zweites Domizil. Sein Unmut ging so weit, dass er sogar zu lustlos war, um Grundler oder Müller abzusagen. Er war einfach nur müde und hätte sich gefreut, wenn einer der beiden den Termin verschoben hätte.
Lieselotte verstand sein ungehaltenes Schweigen während des Samstags richtig, sah aber keinen Grund, für ihn einzuspringen oder ihn wegen Unpässlichkeit zu entschuldigen. Sie vertrat den Standpunkt, es würde nicht besser, wenn er sich seiner vorübergehenden körperlichen Erschöpfung hingab, und beachtete ihn nicht weiter. Entweder würde er selbst die Initiative ergreifen und die Leute ausladen oder er müsste sich mit ihnen auseinandersetzen. Sie freute sich darauf, einmal mit anderen Menschen zu sprechen und war gespannt auf den Kölner Oberbürgermeister, von dem ihr Grundler und Böhnke im Zusammenhang mit einer Mordgeschichte berichtet hatten. Müller war, so hatte sie in Erinnerung, ein Studienfreund von Grundler gewesen. Der Anwalt hatte ihn in seiner direkten Art mit den Worten beschrieben: »Er ist Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.« Sie würde ihn sofort erkennen. »Ein schlanker Riese mit einer gewaltigen, bunten Fliege, Anfang 40.«
Müller und Grundler hatten sich anscheinend abgesprochen, so schien es jedenfalls, als sie fast zeitgleich von der Kapellenstraße auf die Zufahrt zum Hühnerstall einbogen, die große, britische Limousine mit dem Kölner Kennzeichen und der altersschwache, angerostete Corsa aus Aachen. Beide waren in Begleitung, wie Böhnke und Lieselotte wohlwollend bemerkten, als sie sich zur Begrüßung vor die Tür begaben. Grundler hatte Sabine mitgebracht. An der Seite des schlanken Riesen kam ihnen eine zierliche Frau entgegen.
»Ist das nicht schön hier«, sagte Müller in seinem Bass. »Meine Frau wollte unbedingt einmal Huppenbroich kennenlernen. Hört ihr, wie ruhig es ist?« Er strahlte große Freude aus, als er Hände schüttelnd Lieselotte begrüßte. »Sie sind bestimmt fürs Wetter zuständig«, lachte er.
Am Morgen war der Spätherbst wiedergekehrt. Wind und Regen waren verschwunden, aus dem wolkenlosen Himmel schickte die Sonne wenig wärmende Strahlen zur Erde. Es war für die Jahreszeit und die Höhenlage der Eifel ausgesprochen milde geworden.
Müller richtete sich die bunte Fliege, die er über dem weißen Hemd trug. Der braune Anzug stand ihm gut, sodass Lieselotte ebenso wie Sabine dachte, ihren Männern stünde ab und an ein Anzug auch nicht schlecht statt immer nur Jeans.
Müller schaute sich begeistert um. »Ich liebe Huppenbroich, auch wenn ich noch nicht oft hier gewesen bin.«
»Er liebt diesen Ort so sehr, dass er mich schon überreden will, hier einen Zweitwohnsitz zu erwerben«, meldete sich schmunzelnd die kleine Frau, eine attraktive Person in einem eleganten Hosenanzug gekleidet, die sehr selbstbewusst auftrat.
›Bloß nicht‹, hätte Böhnke beinahe gesagt, wenn ihn Lieselotte nicht von der Seite geknufft hätte. Es gab schon zu viele Wochenend-Huppenbroicher. Die Dorfgemeinschaft musste aufpassen, dass die Einheimischen nicht zur Minderheit wurden. Solange Huppenbroich nur ein Geheimtipp war, konnten sie den Zuzug Fremder noch regulieren. Wenn erst einmal ein Trend daraus würde, würde der Ort bald nicht mehr einzigartig sein, sondern zu einer Art Feriensiedlung verkommen. Die Gratwanderung war schwierig und sorgte für viel Diskussionsstoff. Böhnke hatte zunächst nicht verstanden, wenn im privaten Kreis von Überfremdung geredet wurde, jetzt war er selbst einer derjenigen, der am liebsten keinerlei Zuwachs im Ort gesehen hätte. Da wäre selbst ein Oberbürgermeister aus Köln fehl am Platz.
»Bloß nicht«, hörte er Grundler sagen. »Bleib du lieber in Köln. Du würdest hier nur das Chaos anrichten, das du am Rhein schon angestellt hast.«
»Charmant wie immer«, entgegnete Müller. »Du bist und bleibst die Ausgeburt der Höflichkeit, mein Freund.«
»Ruhe!«, sagte Lieselotte im Kommandoton. »Ich gehe jetzt. Ich habe Hunger. Und wer mit will, kann mir
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