Printenprinz
Büttenredner, Sänger oder Gesangsgruppen.
Ein wenig verstört war Böhnke vom Auftritt des Kölner Dreigestirns, das, fast schon nicht anders zu erwarten, in einer Woge der Begeisterung durch den Saal auf die Bühne getragen wurde. Kein Wort verloren der Sprecher des Komitees und der Prinz über Peter von Sybar, ein nach Böhnkes Empfinden pietätloses Verhalten.
»Wat fott is, is fott«, kommentierte Müllers Frau seine Bemerkung darüber. »So sind sie halt, die Kölner Jecke.« Gut und richtig fände sie es auch nicht, stimmte sie ihm zu, sagte es und schaltete sofort wieder um auf Heiterkeit und Schunkellaune.
Böhnke war froh, als endlich die kölsche Mischung aus ungezwungener Heiterkeit und allumfassender Selbstbestätigung eine vorübergehende Unterbrechung fand. Das war zu viel für seine Ohren, wenn ununterbrochen gefaselt wurde, es gebe nur den einen echten, richtigen und alles beherrschenden Karneval, nämlich den von Köln am Rhein.
»Ist das nicht toll«, sagte er ironisch zu Lieselotte, als sie langsam ins Foyer drängten, um die Pause in einer ruhigeren Ecke zu genießen, die Müller für sie reserviert hatte.
»Es ist einfach super«, begeisterte sich seine Liebste. »Super Leute, super Stimmung, super Programm.«
»Na ja«, brummte Böhnke. Jetzt fiel ihm schon seine eigene Frau in den Rücken. Er hatte etwas anderes als Bemerkung erwartet. Für ihn war die Veranstaltung zu laut, zu schrill, zu euphorisch, wie er zu Müller meinte.
Der Oberbürgermeister stimmte ihm zu. »Das schaukelt sich hoch, dann kommt noch der Alkohol hinzu und plötzlich sehen alle die Welt nur noch in einem rosaroten beziehungsweise rot-weißen Licht. Wenn Sie mich fragen, was ich von der Sitzung halte, und wenn ich Ihnen ehrlich antworten soll, würde ich sagen, es wird alles ein wenig übertrieben.« Müller nannte als Beispiel den ebenfalls umjubelten Auftritt der Gruppe ›Schluppe Juppe‹. »Die machen zwar nette Musik, aber die werden hier gefeiert, als spielten sie in einer Klasse mit den ›Höhner‹, ›Brings‹ oder den ›Bläck Fööss‹. Dabei sind die gerade einmal ein Jahr im Geschäft. Das hat alles mit dem Tod von Peter von Sybar zu tun. Danach kamen all die mittelmäßigen Künstler ins Programm statt von Sybars Leute, die echt Spitzenklasse sind. Jetzt müssen die Nasen natürlich hochgejubelt werden als die Superstars.« Müller nippte an seiner Stange Kölsch. »Das kommt davon, wenn man sich von einigen wenigen Agenten abhängig macht.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf einen wenige Meter entfernten Stehtisch. »Wie von meinem Freund Fritz Schmitz. Den Pinguin kann ich ab wie Schweißfüße.«
Interessiert folgte Böhnke Müllers Blick, was ihm schwerfiel, immerhin überragte Müller die Menschenmassen fast um einen Kopf. Er hatte Schmitz zwischen den Leibern nicht erkannt. Er hatte nur kurz ein geschminktes Clownsgesicht gesehen, erst auf den zweiten Blick erkannte er Witze Fritze.
Schmitz stand nicht allein an dem Tisch. Der Mann, der Böhnke den Rücken zukehrte, konnte nach Statur und Haltung nur Mandelhartz sein, da war sich Böhnke ziemlich sicher. Und auch die beiden anderen Männer in Karnevalsuniformen kamen ihm sehr bekannt vor. Der eine war Weinberg aus dem Aachener Rathaus.
»Den Vierten im Bunde müssten Sie eigentlich kennen, Herr Müller.«
Erstaunt blickte der Oberbürgermeister noch einmal in die Richtung des Tisches. »Was macht Feilen denn hier?«, entfuhr es ihm. »Ich habe ja gar nicht gewusst, dass er ein Karnevalsjeck ist und zu einer Garde gehört. Soll ich ihn fragen?«
Er solle es lassen, antwortete Böhnke, er könne es ja im Büro machen. Das Verhalten der vier Männer untereinander schien ihm wichtiger als eine Antwort von Feilen.
Das Quartett redete heftig aufeinander ein, man schien sich gut zu kennen, prostete sich herzlich zu und lachte gemeinsam.
›Kann mir einer sagen, was das bedeuten soll?‹, redete Böhnke zu sich selbst. Was treiben sich Mandelhartz und Weinberg in Köln herum und warum plaudern sie dabei auch noch mit Schmitz und Feilen? Hatte Weinberg nicht behauptet, Feilen nicht zu kennen? Und das Verhältnis zwischen den beiden wirkte nicht, als sei sie eine Zufallsbekanntschaft, sie wirkte innig und eng und keinesfalls oberflächlich. Diese Konstellation der vier Figuren warf ein neues Licht auf das Personengeflecht. Er hätte am Abend noch etwas zu tüfteln, dachte sich Böhnke. Hier wurden Beziehungen deutlich, die er noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher