Printenprinz
Sitzung des Kölner Karnevals, noch dazu in der Wiege des Kölner Karnevals, entgehen, nur weil du Trauerkloß Angst vor einem Freitag, dem 13., hast? Nein, mein Lieber! Wenn uns schon der Kölner Oberbürgermeister höchstpersönlich in den Gürzenich einlädt, wird nicht abgesagt, bloß weil du abergläubisch bist.« Auch sein zaghaftes Zaudern bei der angemessenen Bekleidung beendete sie resolut: »Anzug und Krawatte!«
Müller hatte für alles gesorgt. Auf seinem parkähnlichen Grundstück im Hahnwald hatte er für sie eine Garage bereitgestellt. Böhnke sah keine Veranlassung, Lieselottes Verwunderung aufzuhellen, wieso er auf Anhieb und ohne Zaudern das Privathaus von Müller gefunden hatte.
»Man kennt sich halt aus in der Region«, sagte er lakonisch. »Ich bin ja nicht so eine Zimmerpflanze wie du, die nicht über Huppenbroich und Aachen hinauskommt.«
In seiner geräumigen Limousine brachte Müller sie in die Innenstadt. Er fuhr an die Absperrung vor dem Eingang zum traditionsreichen Festsaal heran. Als er die Namen seiner Gäste nannte, wurden sie von einer jungen Frau zu ihren Plätzen gebracht, derweil ein junger Mann den Wagen zu einem Parkplatz fuhr.
Sie saßen fast neben dem Bühnenaufgang in der ersten Reihe und ernteten deswegen einige neidische Blicke derjenigen, die gerne häufiger von einer Fernsehkamera eingefangen werden wollten. Wenn Böhnke gewusst hätte, dass sein Konterfei mehrmals während der Sitzung gefilmt und später im Fernsehen ausgestrahlt werden sollte, hätte er wahrscheinlich auf der Stelle den Rückwärtsgang eingelegt.
Müller hatte sich, ganz seinem zweiten Spitznamen entsprechend, mit einem gelb-schwarz gepunkteten Anzug im Giraffenmuster gekleidet, seine Frau kam als Tierpflegerin daher. Den bunten Papierhut, den sie der Apothekerin reichte, setzte Lieselotte sofort auf.
»Ein bisschen Kostüm muss doch sein«, erwiderte sie auf Böhnkes fast schon entrüsteten Blick.
Bei seinem Rundblick durch den mit großen Luftballontrauben und Girlanden in den Kölner Stadtfarben rot und weiß geschmückten Festsaal stellte Böhnke fest, dass er und seine Partnerin zu einer verschwindend geringen Minderheit von Nichtkostümierten gehörten. In seiner Alltagskleidung wäre er auch hier garantiert unangenehm aufgefallen. Über die große Bühne, an deren Ende auf einer Empore die Stühle für die Mitglieder des Komitees und der Thron für den Sitzungsleiter standen, konnte er nur staunen. Die Farbenpracht und mehr noch die Originalität der großflächigen Dekoration an der Rückfront mit Szenen aus dem Kölner Alltagsleben beeindruckten ihn sehr. In ihrer plastischen Darstellung wirkte das Bühnenbild, als befände man sich mitten in einem Viertel, in dem munteres Leben herrschte.
»Du kommst eben vom Lande«, kommentierte Lieselotte seine entsprechende Bemerkung, ehe sie sich mit Interesse der Weinkarte widmete.
»Ist längst geregelt.« Müller unterbrach sie in ihrer Lektüre, die sie in Anbetracht der Preise leicht hatte erblassen lassen. »Sie haben bei unserem Besuch in Huppenbroich doch verraten, welcher Wein Ihr Lieblingswein ist.« Er nickte dem livrierten Kellner zu, der das Nicken erwiderte und abzog. »Und für Sie gibt es selbstverständlich Mineralwasser«, meinte er zu Böhnke.
Der Kommissar blieb stumm. Es gab so viel zu beobachten in diesem Festsaal der Stadt Köln. Der große Raum war berstend voll mit froh gelaunten Menschen, die sich angeregt unterhielten. Viele kamen ihm bekannt vor.
»Kein Wunder«, schmunzelte die Tierpflegerin. »Die meisten gehören zur wirtschaftlichen und politischen Spitzenriege an der Rheinschiene, Minister und ehemalige Minister, Wirtschaftsbosse und ehemalige Wirtschaftsbosse, schöne Frauen und …«
Weiter kam sie nicht. Müller war aufgesprungen, als die ersten Töne eines Karnevalsmarsches erklangen, und hatte sie dabei angerempelt. »Es geht los!«, rief er begeistert.
Böhnke kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sollte er sich mehr über das Publikum wundern oder über das Bühnenprogramm? Vom ersten Ton des Auftaktmarsches an schunkelten, tanzten, lachten, applaudierten die Besucher ununterbrochen und riefen ihr »Kölle Alaaf!« in den Gürzenich. Der Sitzungsleiter führte witzig und wortgewandt durch den Abend, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es gab anscheinend ausnahmslos Spitzenkräfte auf der Bühne. So jedenfalls wurden alle Akteure angekündigt und bejubelt, ob Garden, Tanzmariechen,
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