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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Heizer ausgegeben …«, sagte er, »leider haben wir es zu spät gemerkt.«
    »Leider …«, erwiderte Stahmer mit zufriedener Unzufriedenheit, »Sie Armleuchter. Und wie ist er aus dem Haus gekommen?«
    »Das wissen wir noch nicht«, entgegnete der Feldwebel stramm.
    »Hoffentlich wißt ihr, was eure Schlamperei für Folgen hat«, drohte der Agent. Während sein Gesicht Zurechtweisung ausdrückte, arbeiteten seine Gedanken schnell und sicher. Der Posten an der Tür hat den Mund gehalten … Die einzige Gefahr! Bei gutem Personengedächtnis hätte ihn der Gefreite trotz des rußgeschwärzten Gesichts wiedererkennen können.
    Auf einmal gab sich Stahmers Untersuchung zwanglos bis heiter.
    »Haben Sie sich wenigstens den falschen Heizer genau angeguckt?« fragte er den Feldwebel.
    »Nein … das heißt …«
    »Ja oder nein?«
    »Nur einen kurzen Augenblick«, wich der Wachhabende aus, »und das Licht da unten taugt keine Mark, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Schraubt 'ne andere Birne ein«, erwiderte Stahmer gut gelaunt, »… und wie hat der Kerl ausgesehen … Sie Würstchen?«
    »Groß, schlank, breite Schultern … so'n Sportstyp.« Die Hände des Feldwebels versuchten die Konturen des Einbrechers zu modellieren. »Eigentlich … wie Sie.«
    »Wie ich?« fragte Stahmer belustigt. Er trat an den Wachhabenden heran und musterte ihn durchdringend. Der Teufel ritt ihn, wie er bald für den Teufel reiten würde. »Na«, sagte er ironisch, »reißen Sie Ihre Glotzaugen auf …«
    Nach zwei Stunden hatte Stahmer alle Beteiligten gesprochen. Er verarbeitete zielstrebig Papier zu Protokollen, diktierte kunterbunt durcheinander, schwächte Aussagen ab, die ihm gefährlich werden konnten, und hob die falschen Beobachtungen hervor. Seine Fälschung war so geschickt, daß sie auch Kommissar Wendland nicht auffiel, der sich nur darüber wunderte, daß das RSHA die Verfolgung des Einbrechers so schnell aufsteckte.
    Werner Stahmer verabschiedete sich herzlich von ihm. »Seien Sie froh«, sagte er, »daß Sie mit der Sache nichts zu tun haben … Ich beziehe jetzt meinen Anpfiff direkt in der Prinz-Albrecht-Straße.«
    »Viel Vergnügen«, erwiderte der Kommissar schadenfroh, »aber wir könnten doch noch …«
    »Unsinn«, wehrte der Agent ab, »je weniger wir unternehmen, desto schneller vergessen sie die Geschichte in der Zentrale … Wer soll sich schon für den geklauten Plunder interessieren?«
    Werner Stahmer hatte die zweite Etappe seines Befehls ausgeführt. Jetzt rollte der Fall weiter wie ein Kriminalfilm. Zug um Zug. Abenteuerlich. Phantastisch. Unheimlich. Eine verrückte Idee, wie sie nur die Handgranaten-Logik Heydrichs ausdenken konnte … und die doch fünftausend Menschen das Leben kosten würde.

36
    Die Reifen des Taxis schmierten quietschend am Rinnstein der Elsässerstraße entlang. Der Wagen hielt. Löbels Blick suchte die halb erblindeten Scheiben des Kellergeschäftes ab. »Sie warten«, sagte er zu dem Fahrer.
    Der Standartenführer hätte einen Dienstwagen benutzen können, aber er gab sich bescheiden, um nicht aufzufallen. Nur eine ganz große Sache konnte ihn aus dem Büro locken. Er ging auf den Kellerladen zu. An der Tür stand auf einem Messingschild: ›Konrad Puch, Graveurmeister‹.
    Löbel nickte zufrieden. Der Mann war mit Umsicht ausgesucht. Erst von der fachlichen Seite und dann nach der geheimen Personalkartei des Reichssicherheitshauptamtes. Alter Parteigenosse. Politisch zuverlässig …
    Löbel ging die drei Stufen zum Keller hinunter. Die Ladenglocke schrillte mit heiserem Dreiklang. Hier war es dämmrig, fast dunkel. Es roch wie in einer Gruft. Löbel gestand sich nicht ein, daß er der Todesengel war, der die Gruft betrat.
    Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben. Ein Mann mit grauem Kopf sagte mit eiliger Beflissenheit: »Heil Hitler! Womit kann ich dienen?«
    Der Graveur hatte sich die Nickelbrille in die Stirn geschoben und betrachtete seinen Besucher mit angespannten Augen.
    »Sind wir hier allein?« fragte Löbel.
    »Nur meine Frau und meine Tochter sind noch da«, erwiderte Puch, »aber sie hören uns nicht.«
    »Ich habe einen Auftrag für Sie«, sagte Löbel gedehnt.
    Der Meister griff sofort nach dem Block, um zu notieren.
    »Nein«, fuhr der Standartenführer fort. »Es handelt sich um eine umfangreiche Sache«, er räusperte sich. »Ich bin Schriftsteller, arbeite an einer wissenschaftlichen Veröffentlichung … Es wären Dokumente zu kopieren … Teilweise

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