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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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»Urlaub«, sagte sie ruhig, »das wäre schön.«
    »Bald schon«, sagte er schnell. »Wir zwei … ganz allein.«
    Er kam sich albern vor.
    Ihr Lächeln verlor sich plötzlich. »Ach, ich verstehe«, entgegnete sie, ernst geworden. »So einen Urlaub wie mit Ira, was? Dienst garniert mit Privatleben?«
    »Aber Margot …«
    »Nein, vielen Dank, Herr Stahmer … ich fürchte, Ihre Vergnügungsreise ist für mich zu abenteuerlich.«
    Ihre Worte brannten auf seinem Gesicht.
    »Ach so«, erwiderte er leise.
    Er starrte auf die Tischplatte. Mußte sie nicht so denken? Wie könnte er ihr jemals etwas anderes klarmachen?
    Das Gefängnis seines Daseins, aus dem er fliehen wollte, hatte die Gitter wieder vorgeschoben.
    »Sie glauben also«, entgegnete er matt, »ich könnte Sie kaltblütig für etwas benützen.«
    Margot schüttelte leicht den Kopf. »Haben Sie das nicht schon einmal getan … mit Ira?«
    »Aber das war doch etwas ganz …«
    »… ganz anderes«, ergänzte Margot. »Vielleicht …«
    Auf ihrer schmalen Stirn standen kleine Falten.
    »Ich möchte es nur nicht darauf ankommen lassen.«
    »Warum nicht?« fragte er fest.
    »Ich habe Angst vor Enttäuschungen«, erwiderte sie.
    Dabei griff sie nach seiner Hand. Um seine schmalen Lippen spiegelte ein halbes Lächeln. Margot stand auf.
    »Läge Ihnen etwas daran«, fragte er langsam, »von mir nicht enttäuscht zu werden?«
    Sie sah ihn bittend an. »Ich muß jetzt gehen«, sagte sie.
    Zum erstenmal wirkte sie unsicher, verlegen. Sie fürchtete den Flirt, den sie suchte. Und sie konnte ihn nicht mehr abbrechen, weil ihr der Mann schon zuviel bedeutete. Und einmal war er anständig gewesen. Verdammt anständig! Er hatte geschwiegen und dabei seinen Kopf riskiert. Wer so handelt, kann nicht unanständig sein, überlegte Margot mit zweckloser Logik weiter … Er soll es auch nicht …
    Sie gingen eingehängt durch den kalten Winterabend, mit verhaltenen Schritten, schweigend, leicht aneinandergelehnt. Jetzt müßte ich stehenbleiben und sie in die Arme nehmen und sie zur Räson bringen, dachte Werner Stahmer. Aber seine Kaltschnäuzigkeit war verflogen. Hier versagten Erfahrung und Routine und lösten sich auf in einer Zärtlichkeit, die nicht wild war, sondern weich, die nicht erobern wollte, sondern bat, nicht auf Besitz ausging, sondern abwarten konnte.

38
    Leise knirschte das Sattelzeug. Die Hufe der Pferde wirbelten dumpf auf dem Waldboden. Fahler Morgennebel hing zwischen kahlen Büschen. Der Club ritt aus. Eine bunte Gesellschaft von zwanzig, dreißig Herren und Damen: ältere Direktoren neben taufrischen Amazonen, ausgediente Kavallerie-Offiziere neben hochgeschwemmten Partei-Gewinnlern, Sportler aus Passion neben neureichen Snobs. Am Ende des Zuges Werner Stahmer, geschickt im Sattel, seit zwei Tagen Mitglied des vornehmen Berliner Clubs: er ritt für Heydrich.
    Nicht aus Vergnügen, sondern auf Befehl. Der Standartenführer Löbel hatte den Auftrag klar umrissen:
    »Wir müssen an die russischen Emigrantenkreise herankommen, die heute noch Kontakt mit den Sowjets haben … Es ist ganz eilig, es darf keine Pannen geben …«
    Mittlerweile war Werner Stahmer, der Agent, bis auf 50 Meter an die ›Emigrantenkreise‹ herangekommen. An der Spitze der Kavalkade ritt Natascha Denikin, Tochter eines emigrierten Zarengenerals. Das Reichssicherheitshauptamt kannte seine Querverbindungen zu einigen Offizieren der Roten Armee.
    Die weiße Bluse Nataschas flatterte vor den Augen Stahmers wie eine Fahne. Ihr blauschwarzer Haarknoten tänzelte im Nacken. Die Generalstochter war schön, sehr schön sogar, vielleicht 25 Jahre alt. Ihr Gesicht trug fast ständig ein kühles, stolzes Lächeln mit einem Schuß Geringschätzung. Jetzt war Natascha von drei, vier jungen Leuten eingekeilt, deren Verhalten keine Zweifel über ihr Ziel aufkommen ließ.
    Stahmer hörte das helle Lachen, sah, wie die Reiterin den Kopf zurückbog. Neben dem Agenten kommentierte der Reitlehrer: »Das ist ein Naturtalent … sage ich Ihnen …«
    »Wer?« fragte Stahmer.
    »Fräulein Denikin … die ist schon auf dem Pferd zur Welt gekommen …«
    »Von mir aus …«, brummte Werner Stahmer. »Was macht sie sonst?« fragte er nebensächlich. »Hat sie einen Freund? … Ist sie verlobt?«
    »Das haben schon viele versucht«, antwortete der Mann. Er hatte abstehende Ohren. Es wirkte, als ob ein schlaues Grinsen an ihnen festgewachsen sei.
    »Na und?« fragte Stahmer

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