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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Leinwand wieder: Werner Stahmer stand da, ernst, gereizt, und sprach und sprach: »Ach wo, Herr Puch, die Richtung stimmt haargenau …«

44
    Als Werner Stahmer aus dem Taxi gesprungen war, schälte sich die dunkle Gestalt aus dem Vorgarten der Dahlemer Villa. Margot hatte auf ihn gewartet. Sie trug einen langen schwarzen Mantel, hatte sich die Kapuze über die Haare gezogen und wirkte wie eine gute Fee in einem schlechten Spiel. »Kommen Sie mit ins Haus«, bat sie.
    »Bitte nicht«, wehrte der Freund ab, »ich möchte …«
    Sie nickte wortlos, schob die Hand in seinen Arm. Sowie er die Berührung spürte, wurde er ruhig. Margot betrachtete ihn von der Seite. Sie merkte, wie erregt und nervös Stahmer war, und sie wunderte sich darüber.
    »Was ist los?« fragte sie ruhig.
    »Kann ich … kann ich Ihnen nicht sagen … Ich mußte nur ein paar Minuten mit einem vernünftigen Menschen sprechen … verstehen Sie? … Sonst werd' ich verrückt …«
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Margot schlicht.
    »Nein«, entgegnete der Agent.
    Sie gingen schweigend nebeneinander her. Jetzt, dachte Werner Stahmer, holen sie ihn, laden ihn in den Wagen, der zum Totenauto wird. Jetzt begreift dieser Trottel, um was es geht. Er sah zerstreut auf die Uhr. Er zuckte zusammen, als irgendwo in der Nähe die Fehlzündung eines Motorrades knallte. Die Schüsse, überlegte er fahrig, das Ende. Vorbei …
    »Ist etwas mit Iras Vater?« fragte Margot unvermittelt.
    »Nein …«, antwortete er gedehnt.
    »Sie lügen«, sagte sie.
    Stahmer nickte lustlos. Es war alles vorbei. Er hatte sich schon zu sehr aus der Deckung gewagt. Mehr konnte er nicht tun, stellte er verbittert wie erleichtert fest. Und er sah Ira, keulenschwingend bei ihrer Gymnastik-Vorführung, und fluchte.
    Er durfte Margot nicht mit hineinziehen. Jedes Wissen, jede Ahnung wäre tödlich …
    »Sind Sie heute nicht sehr … zufrieden mit Ihrem Beruf?« sagte sie schließlich.
    Stahmer schwieg.
    »Schlimm?« fragte sie.
    »Ja«, antwortete er hart.
    »Wollen Sie nicht Schluß machen damit?«
    »Ich möchte schon«, versetzte der Agent.
    »Aber?«
    »Das geht nicht so leicht.«
    »Dann machen Sie es sich schwer«, entgegnete das Mädchen resolut. »Sie würden mir so …«
    »Was?« unterbrach er schnell.
    »Besser gefallen …«, ergänzte Margot.
    »Ihnen?« fragte er. »Ich …?«

45
    Auf einmal schlug der kleine Puch um sich. Eine feste Hand legte sich auf seinen Arm.
    »Wir sind gleich da«, zischte der Uniformierte neben ihm.
    Der Graveur wollte sich losreißen.
    »Ich will nicht!« schrie er. »Laßt mich 'raus! … Aussteigen!«
    In der nächsten Sekunde stieß er sich hart am Hinterkopf. Der Fahrer hatte plötzlich Gas gegeben. Puch war zurückgefallen. Der Wagen schoß los wie eine Rakete. Die fliegenden Hände des Graveurs klammerten sich an den Türgriff.
    Ein Schlag! Brennender Schmerz lähmte seine Arme.
    »Halt's Maul, Kerl!« drohte der Begleiter neben ihm.
    Da begann der alte Mann zu schreien, gellend, gurgelnd. Der uniformierte Rabauke warf sich über ihn, preßte die Hand auf seinen Mund.
    Der Film wirbelte immer schneller, rasender, hektischer. Die Bilder verschwammen. Nur Stahmers Stimme blieb: »Staatsbegräbnis … Staatsbegräbnis … Staatsbegräbnis …«
    Plötzlich hielt der Wagen. Es ging ganz schnell. Wie geübt. Waldboden. Kieferngeruch. Und keine Sterne.
    Sie zerrten Puch hinaus. Der Fahrer half nach. Das Team war eingespielt.
    Im grellen Knall zerriß der Film.
    Der kleine Graveur Puch, altes Parteimitglied und hitlergläubig, sank zur Erde, die ihn für immer aufnehmen würde. Seine Mörder beugten sich über ihn, nickten befriedigt.
    Befehl ausgeführt …

46
    Das Echo verzerrte seinen Schritt. Die Nacht war kühl. Aber Stahmers Gesichtshaut brannte. Er hatte die Hände in der Tasche. Er blieb stehen und horchte. Nichts zu hören. Sie haben ihn bereits abgeholt, dachte er erleichtert. Er stemmte sich dagegen. Aber er sah den kleinen Graveur Puch vor sich, zusammengekauert, steif, tot, irgendwo am Waldrand.
    Eines Tages, dachte er flüchtig, sind wir alle Puchs.
    Fröstelnd betrat er das Haus. Es war leer. Stahmers Verstand funktionierte wieder. Ich hätte dabeisein müssen, überlegte er. Ich muß mir eine passable Erklärung zurechtlegen. Er ging auf das Telephon zu.
    »Wo stecken Sie denn?« zischte ihn der Standartenführer an.
    »In der Villa …«, erwiderte Stahmer ruhig.
    »Und warum haben Sie Ihren Posten

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