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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hinzu.
    »Und Sie … Sie lassen einen … einen harmlosen Mann … einen überzeugten Nationalsozialisten … so einfach …«
    »Also so ist das …«, entgegnete Löbel. Seine Augen wurden klein. »So einer sind Sie …? Ein Weichmann …?«
    »Ich will mit der Sache nichts zu tun haben, Standartenführer«, versetzte Stahmer.
    »Warum?«
    »Persönliche Gründe.«
    Löbel trat ans Fenster und starrte hinaus. Er drehte sich um. Sein Lächeln war schief, ungut. »Geht nicht«, antwortete er dann.
    Werner Stahmer schwieg betroffen.
    »Gut, daß das Gespräch daraufgekommen ist«, fuhr der Standartenführer fort, »wir haben alle unsere Schwächen … und wir alle haben sie zu überwinden …«
    Idiot, dachte Stahmer. Er überlegte, ob er sich an seinen Gönner Heydrich wenden sollte. Bevor er noch zu einem Entschluß gekommen war, gab Löbel den neuen Befehl:
    »Sie übernehmen heute ab 16 Uhr als Ablösung die Bewachung der Villa in Schlachtensee … Sie haften mir persönlich dafür, daß der Graveur Puch keine Verbindung zur Außenwelt hat …«
    Stahmer begriff nicht.
    »Wiederholen Sie den Befehl!« fuhr ihn der Standartenführer an.
    Dem Agenten wurde es übel. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Zeit gewinnen, dachte er und griff nach dem Strohhalm …

42
    Die Nacht ging schlafen. Der letzte Lärm verdämmerte in der gähnenden Finsternis. Dünne Nebelschwaden tasteten wie Geisterhände den nassen Asphalt ab. Die verträumte Villa in Schlachtensee war ein weißlicher Fleck in der Dunkelheit, finster, scheinbar unbewohnt, verlassen … von Gott und Menschlichkeit.
    Zehn Uhr.
    Der kleine Graveur Puch, der mit kurzsichtigen Augen seine Arbeit kontrollierte, wußte nicht, daß sein Leben nur noch nach Stunden zählte. Er saß im ersten Stock und freute sich, daß er fertig war. Zwei, drei Striche noch. Dann konnte er nach Hause zu seiner Familie, zu den Kindern. Mit einem Scheck über 5.000 Mark in der Tasche. Und er überlegte und rechnete: eine Schulmappe für die Jüngste, neue Tapeten für das Wohnzimmer, einen Wintermantel für die Frau …
    Unten ging Werner Stahmer unstet auf und ab. Dicke Teppiche verschluckten seine Schritte. Sein Entschluß war gefaßt. Aber wie er auszuführen war, wußte der Agent nicht. Die Zeit ließ keine Umwege, das Gewissen keine Ausrede zu.
    Der große, breitschultrige Mann ging nach oben. Ein Kerl, der von Kraft strotzte und jetzt müde wirkte, der in einer unerbittlichen Stunde vom Abenteurer zum Menschen wurde. Er nahm die Treppe umständlich, fast zögernd.
    Der Graveur drehte sich langsam nach ihm um. Seine knöchernen, abgearbeiteten Hände ließen das Klischee los.
    »Wie weit sind Sie?«
    »Fertig«, antwortete Puch, rot vor Stolz.
    Amen, dachte der Agent in diesem Moment. Warum hast du dir keine Zeit gelassen? Warum bloß, du Idiot!
    »Ich kann Ihnen nicht sagen …«, schwatzte der Graveur, »wie glücklich ich bin … große Ehre für mich … daß die Partei gerade mir …«
    Stahmer spürte seine Beine wie Steine.
    »Ich bin nämlich alter Kämpfer«, sagte Iras Vater ganz sanft, andächtig fast, »ich weiß, was der Führer für uns getan hat …«
    Das Gesicht des Agenten zuckte. Es war nur eine schwache Bewegung an der Oberfläche des Sturms, der in ihm tobte, und er wird alles knicken: seine Vorsicht, seine Beherrschung, seine Überlegung. In diesen Sekunden geschah mehr, als der Agent ertragen konnte.
    Vor ihm auf dem Tisch stand ein halbleeres Schnapsglas. Mechanisch nahm es Stahmer in die Hand. Es wirkte leicht, federleicht, wie alles, was nun kommen mochte und kommen mußte.
    »So«, entgegnete er mit heiserer Stimme, »der Führer wird es Ihnen danken, Herr Puch.«
    Der Agent schleuderte das Glas gegen die Wand. Splitter rasselten zu Boden, klirrten durch seine Worte.
    Puch fuhr auf seinem Stuhl herum. »Um Gottes willen, Herr Stahmer …«, erwiderte er und hielt die Hand erschrocken gegen den Mund.
    Stahmer betrachtete ihn starr. Sein schmales, knappes Gesicht blieb ohne Ausdruck.
    »Das werde ich Ihnen sagen, Herr Puch«, setzte er an. Er ging auf den Graveur zu, der gar nichts begriff.
    Worte schlugen an sein Ohr; aber Puch begriff sie nicht.
    »Sie sollten nicht so viel trinken«, erwiderte Iras Vater verwirrt.
    Der Agent trat ganz dicht an ihn heran. »Ich hab' einen klaren Kopf«, versicherte er hart, »und Sie sollen zusehen, daß Sie ihn endlich auch bekommen.« Er griff derb nach den Schultern des schmächtigen

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