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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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erschrocken.

43
    Ein Wagen hielt vor der Tür. Die Tür der Villa in Schlachtensee öffnete sich. Schritte polterten. Es waren mehrere Männer. Löbels Stimme gab halblaute Befehle.
    Im ersten Stock legte der Graveur Puch die Tuschfeder hin, stand steif auf, zog sich die Jacke glatt.
    Die Schritte kamen näher. Die Tür wurde aufgestoßen. Standartenführer Löbel stand im Rahmen, lächelte breit, sorglos. Hinter ihm zwei Uniformen, Breeches-Hosen, Stiefel.
    »Na, Meister Puch …«, dröhnte Löbel, »wie steht's?«
    »Fertig«, erwiderte der Graveur stolz, »schon seit einer Stunde.«
    »Prima … bin sehr mit Ihnen zufrieden … das Material ist tadellos …« Löbels Grinsen wurde zur Grimasse. »Tolle Anerkennung für Sie, Meister Puch …« Jetzt schallte seine Stimme wie ein Lautsprecher: »Der Gruppenführer will Ihnen persönlich den Dank aussprechen … komme eben von dort … hier …«, der Standartenführer gab mit einem Seitenschritt den Blick zur offenen Tür frei, »die beiden Kameraden werden Sie hinbringen …«
    Der alte Mann straffte sich. In seinem Gesicht standen rote Tupfen. Die Nickelbrille glänzte. Ein unsicheres Lächeln spannte seine Lippen. In seinem Gesicht spielten Stolz, Freude und Überraschung.
    Da standen sie einander gegenüber: Puch und Löbel, der Standartenführer und der Graveur, der Mörder und sein Opfer. Und im Hintergrund die schweigende Eskorte.
    »Heute noch?« fragte Puch leise.
    »Heute noch«, bestätigte Löbel rasch.
    Auf einmal begannen die Augen des Graveurs zu wandern. Seine Augen liefen schneller und schneller, von einem Winkel in den anderen, von den Stiefeln zum Waffenrock, von den Pistolentaschen auf die Gesichter. Das Lächeln auf seinem Gesicht verblaßte.
    »Ja, dann …«, sagte er zögernd.
    Er senkte den Kopf, packte seine Sachen zusammen, ging.
    Mit gebeugten Schultern ging der Graveur auf den Treppenaufgang zu. Die schweigenden Männer folgten ihm. Er stieg in den Wagen. Der Fahrer hielt ihm den Schlag auf. Der andere setzte sich neben ihm nach hinten. Der Graveur ließ sich auf die bequemen Polster sinken.
    Jetzt lächelte er wieder, schüttelte den Kopf über sich selbst. Wie konnte er das nur eben denken? Beinahe hätte er sich noch von diesem Stahmer anstecken lassen. Es ist so verteufelt ähnlich, überlegte Puch, genauso wie der Bursche vorhin erzählte …
    »Zigarette?« fragte der Uniformierte neben ihm.
    »Gerne«, erwiderte der Graveur beflissen.
    Der Wagen rollte durch die Nacht, über die Straßen Berlins. Um die Windschutzscheibe spielten Nebelschwaden wie trübe Fahnen. Im Fond schaukelten die Glutpünktchen der Zigaretten.
    »Zur Prinz-Albrecht-Straße?« fragte der Graveur sachkundig.
    »Nein«, erwiderte einer der Begleiter, »der Gruppenführer wird Sie privat empfangen …«
    »So … privat …« Die Augen von Puch wurden rund. »Eine große Ehre …«, murmelte er.
    Sein Nebenmann schwieg.
    Puch sah zerstreut hinaus. Jetzt rollte der Wagen sehr schnell. Puch konnte nicht richtig erkennen, wo sie waren. Wann kam er schon aus seinem kleinen Laden in der Elsässerstraße heraus? Diesige Straßenlaternen zogen an ihm vorbei.
    »Der Gruppenführer wohnt sicher in Dahlem … oder noch weiter?« fragte der Graveur.
    Der SS-Mann brummte etwas Unverständliches.
    Der alte Mann setzte sich anders; aber wie er sich auch in den Polstern zurechtrückte: auf einmal saß er im Kino. Vor der Leinwand. Werner Stahmer sprach zu dem ablaufenden Film.
    »Und dann fahren Sie … und fahren … und fahren …«
    Die Straßenlaternen wurden immer seltener.
    »Wir sind wohl schon in Grunewald?« fragte Puch.
    »Wir kommen schon hin«, entgegnete der Nebenmann wortkarg.
    Der Rücken des Fahrers war breit. Er verdeckte die Sicht. So sehr der Graveur sich hin und her bemühte, er wurde immer kleiner in dem großen Wagen.
    »Nur keine Aufregung, Meister Puch …«, kommt Stahmers Stimme von der Leinwand.
    »Nun möchte ich aber doch wissen, ob wir bald da sind«, fragte der Graveur ärgerlich.
    »Gewiß.«
    Der Film lief weiter, flimmerte vor Puchs Augen.
    »Und dann denken Sie plötzlich, die Richtung ist ganz falsch …«
    Das Hemd klebte schweißnaß auf seinem Rücken.
    »He, Mann«, sagte Puch, und fuhr herum, »das ist ja gar nicht Dahlem …«
    »Habe ich auch nicht behauptet …«, erwiderte der Uniformierte unbeteiligt, »das haben Sie gesagt.«
    »Wo wohnt er denn?« Die Stimme des Graveurs klang weinerlich.
    Da war die

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