Prinz-Albrecht-Straße
dafür?« fuhr der Untersetzte fort. Er versuchte sich zu beherrschen, aber seine Stimme klang verächtlich. Spion aus Überzeugung, konstatierte Stahmer bei sich, Kommunist, nicht zu kaufen.
»Geld?« fragte der Russe weiter.
Stahmer nickte.
»Wieviel?«
»Sehr viel«, versetzte Stahmer.
»Ich kaufe nichts unbesehen«, entgegnete der Russe. »Geben Sie mir eine Probe, nennen Sie mir den Preis.«
Stahmer schien zu zögern. »Vielleicht läßt es sich machen«, erwiderte er.
»Wann?«
»Sofort!«
»Wollen Sie sagen, daß Sie die Probe hier in der Wohnung haben?« fragte der Gegenspieler des RSHA mißtrauisch.
Stahmer trat an seinen Schreibtisch heran. Er suchte und wühlte, wobei er demonstrativ die primitiven Sicherungen sehen ließ, die er angelegt hatte. Eine Folie in einer Zigarrenkiste zwischen alten Zeitungsausschnitten. Die Holzkiste in einer Blechkassette, gesichert mit zwei Schlössern, die Schlüssel an verschiedenen Stellen in der Wohnung aufbewahrt. Der Russe verfolgte alles. Stahmer konnte nicht sagen, ob er ihn geblufft hatte, als er ihm die Fotokopie reichte.
Der Mann aus dem Osten prüfte umständlich und sorgfältig. Zum erstenmal konnte er seine Erregung nicht verbergen. »Sie haben den ganzen Schriftwechsel?« fragte er.
»Was zahlen Sie?« fragte Stahmer.
»Ich muß das komplett haben«, versetzte der Russe.
»Fünftausend als Vorschuß«, Stahmer sprach betont langsam. »In Schweizer Franken. Können Sie das beschaffen?«
»Mal sehen.«
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Stahmer fort. »Ich will noch einen Paß mit einem echten Visum … sagen wir für Frankreich …«
Der Russe nickte schweigend.
»Und den Vorschuß in bar. Von mir aus in Mark.«
»Gut«, versetzte der Russe. »Ich gebe Ihnen zehntausend«, er holte die Brieftasche hervor, »und Sie überlassen mir die Folie.«
»Wie lange brauchen Sie, bis Sie mir das Visum beschaffen können?« unterbrach ihn Stahmer.
»Vielleicht eine Woche«, versetzte der Russe. Er legte achtlos ein Bündel Scheine auf den Tisch. Das angewiderte Lächeln auf seinem Gesicht verbreiterte sich. »Ich melde mich wieder«, sagte er, ohne Stahmer die Hand zu reichen.
»Ich verdufte so lange aus Berlin. Mir ist der Boden zu heiß«, versetzte Stahmer. »Und seien Sie vorsichtig.«
Der Russe schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
48
Die Zündschnur zischte. Die Höllenmaschine tickte. Heydrichs Plan mit den Russen marschierte in langschäftigen SS-Stiefeln. Von jetzt ab mußte Stahmer ein halbes Dutzend Sicherheitsregeln beachten. Er gab den Bericht über seine erste Begegnung an eine Deckadresse durch. Soweit das russische Agentennetz in Deutschland dem RSHA bekannt war, wurde es überwacht.
Stahmer traf sich am Nachmittag mit dem Standartenführer Löbel an neutralem Ort. Der Standartenführer legte ihm eine Reihe Fotos vor. Stahmer identifizierte mit Sicherheit den Mann, der mit ihm gesprochen hatte.
»Prima«, versetzte Löbel, »Iwanoff. Den Kerl haben wir schon seit Monaten im Auge.« Er rieb sich die Hände.
Plötzlich war auch Heydrich da. Stahmer und Löbel standen stramm, er winkte ab.
»Ich glaube, die haben angebissen«, sagte er. »Ich höre eben, daß einer von den Burschen nach Moskau fliegt. Vielleicht klappt unser Spielchen.« Er lächelte fast. »Wenn's hinhaut, ist es eine tolle Kiste, und wenn nicht, war's eine gute Übung.«
Stahmer dachte an den toten Puch und spürte die Haut an seinem Rücken.
Heydrich tippte ihn auf die Schulter. »Und Sie werden jetzt eine Luftveränderung vornehmen, mein Lieber«, sagte er, »richtigen Urlaub machen … nehmen Sie eine Braut oder so was mit … Holen Sie sich einen Sonnenbrand … Und fotografieren Sie eifrig. Die Burschen lassen Sie jetzt nicht mehr aus den Augen.«
Der Chef entließ ihn mit einer Handbewegung.
Stahmer fuhr ohne Umwege zu Margot. Es war ein schöner Vorfrühlingstag. Die Menschen sehnten sich aus dem steinernen Meer heraus. Die Parkanlagen, die Lungen der Großstadt, waren überfüllt von sonnenhungrigen Berlinern. Alle Erfahrungen, alle Angst hatte Stahmer vergessen. Er sah nur die Riviera vor sich. Sonne, Sand, blaues Meer … und Margot. Er rechnete. Acht Tage vielleicht oder zehn, wenn es gut geht.
Sie war zu Hause, im Garten, las und sah ihm lächelnd entgegen. »Heute gefällst du mir besser«, begrüßte sie ihn.
Er nickte.
Sie unterdrückte die Frage und sah ihn voll an.
»Schöner Tag«, sagte er. »Man sollte wegfahren. Weit
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