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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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verlassen?«
    »Kann ich Ihnen nicht am Telephon erklären, Standartenführer.«
    »Dann kommen Sie gefälligst her!«
    »Geht nicht«, versetzte der Agent und wunderte sich über seine Lässigkeit, »hat Heydrich bis auf weiteres verboten.«
    »Sie sollen herkommen!« brüllte Löbel. »Reißen Sie Ihre Glotzaugen unterwegs auf!«
    Stahmer nickte träge. Diesmal hielt das Taxi zwei Straßen zu früh. Die letzten 300 Meter ging er zu Fuß, sah sich gewohnheitsmäßig um. Die Straße war leer und nachtdunkel. Der Wachhabende grüßte stramm. Der Agent stapfte über den Gang. Das Haus war still. Über dem dämmerigen Korridor schien ein einziges Stöhnen zu liegen. Da unten, überlegte Werner Stahmer zum erstenmal, in den Kellern, wird getreten, geschlagen, gefoltert. Da wird ihnen das Leben aus den Rippen und das Geständnis aus den Köpfen gepreßt …
    Er zog den Mantel enger um sich, als er die Abteilung ›Ost‹ betrat.
    Löbel saß am Schreibtisch. Neben ihm stand seine wesentlichste Ost-Erfahrung: der Wodka. »Was fällt Ihnen ein?« schrie er.
    Stahmer nahm die Hand langsam aus der Tasche, zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe verdächtige Gestalten im Umkreis der Villa gesehen«, erwiderte er dann, »ich mußte den Burschen nachgehen …«
    »Und?«
    »Es waren junge Kerle … harmlos … aber das konnte ich ja vorher nicht wissen.«
    »Gut«, lenkte der Standartenführer ein, »setzen Sie sich.« Gleichzeitig schenkte er seinem Agenten ein. Farbloser Wodka lief über den Rand des Glases. »Da …«, sagte er, »nicht zum Aushalten, diese Ruhe …«
    Löbel sah auf die Uhr. »Wie lange brauchen die denn noch?« knurrte er. Dann stand er auf. »Was starren Sie mich denn so an?« schnaubte er.
    »Nervös?« antwortete Stahmer.
    »Na, ja …« Löbel lief im Kreis herum. »Kann man ja werden …«
    Stahmer nickte.
    »Paßt mir auch nicht«, fuhr der Standartenführer fort, »daß der Kerl ausgerechnet ein Gefolgsmann des Führers ist … Aber Opfer müssen gebracht werden … Auch Puch stirbt für die Bewegung.«
    Stahmer spürte den Schnaps im Mund. Faulig, übel.
    Dann kamen die Schritte. Laut, regelmäßig, exakt. Zwei Männer trampelten durch das Haus wie ein ganzer SA-Sturm, rücksichtslos, brutal.
    Löbel sah ihnen starr entgegen. Sie bauten sich auf, streckten den Arm aus.
    »Heil Hitler, Standartenführer … Befehl ausgeführt.«
    Löbel nickte. »Hat alles geklappt?« fragte er.
    »Wie am Schnürchen«, erwiderten die Mörder fast gleichzeitig.
    Löbel und Stahmer waren wieder allein. Der Agent kippte Glas um Glas, als wäre Wodka sein Leibgetränk. Ein Gedanke fraß sich fest, bohrte und würgte: eines Tages legen sie dich auch so um …
    Irgendwo, im Dunkel des Raumes, glaubte Werner Stahmer ein junges, hübsches Mädchen zu sehen, das ihm traurig zulächelte.

47
    Stahmer schlief lange, aber unruhig. Er lief im Traum Spießruten, sein Unterbewußtsein marterte ihn. Er war gerädert, als er aufstand und nach den Morgenzeitungen griff. Er fand keine Zeile über das Schicksal des Graveurs Puch. Er überlegte, wie lange sie es geheimhalten konnten, und ließ den Gedanken wieder fallen. Wozu auch? Es war vorbei. Es war aus. Amen. Basta. Punktum. Die Partei würde am offenen Grab die Fahnen senken und Reden schwingen. Die Witwe ließ man nicht unversorgt zurück. Und auch Ira würde über den Unfall hinwegkommen, falls sie der Sache nicht nachging. Margot hatte ihn verstanden und würde schweigen, und auch er, Stahmer, hatte seine Lektion erhalten. Dem Abenteuer, dem er diente, war die Maske heruntergerissen worden. Es wußte, daß er im Dienst des Meuchelmords stand. Und er hatte sich dagegen aufzulehnen oder sich damit einverstanden zu erklären. Eine dritte Lösung gab es nicht.
    Er goß sich einen Schnaps ein. Der Alkohol schmeckte wie Fusel. Er spuckte ihn aus und zog sich an. Er hatte Kopfschmerzen. Plötzlich spürte er ein starkes Verlangen, alles hinzuwerfen, Margot bei der Hand zu nehmen und zu flüchten. Irgendwohin. Weit weg. Wo es keine Fahnen, Pauken, Stacheldrähte und Baracken gab. Ziellos ging er nach unten. Im Hausflur begegnete er einem Mann im blauen Arbeitskittel, der einen hölzernen Abfallkübel auf der Schulter trug.
    »Morjen«, sagte der Arbeiter, »geht's da zum Hof?«
    »Geradeaus«, erwiderte Stahmer.
    Der Mann setzte seinen Kübel am Flur ab, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, deutete auf den Holzbottich und sagte grinsend: »Ich muß das

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