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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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das Heydrich erfuhr oder Himmler …
    »Sauladen … ausräuchern … an die Wand stellen.«
    Die Hand am Hörer wurde schweißnaß. Müllers Verstand stand auf dem Niveau eines Hilfspolizisten. Früher, vor 1933, war er ein kleiner Beamter der politischen Polizei gewesen und hatte die Nationalsozialisten so gewissenhaft verfolgt, wie er heute ihre Gegner folterte. Heydrich kannte seine Vergangenheit, und gerade deshalb brachte es Müller so weit. Heydrich schätzte Mitarbeiter, die ihm jeden Wunsch von den mongoliden Augen ablasen, weil sie jeder Wink vernichten konnte …
    »Ich gebe Ihnen den dienstlichen Befehl«, keuchte der Gestapo-Chef in die Muschel, »Vollzugsmeldung in zehn Minuten … Wer die Uniform nicht anzieht, wird an die Wand gestellt.«
    »Jawohl«, antwortete der Offizier an der anderen Seite, »aber ich möchte zu bedenken geben …«
    »Was, Bedenken?«
    »Aber die Konsequenzen, Gruppenführer.«
    »Die trage ich. Umlegen, fertigmachen, die Burschen!« Er warf den Hörer auf die Gabel. Seine derben Hände zitterten, seine Stiefel bummerten auf den Boden.
    Dann fuhr der Gruppenführer Müller herum.
    »Warum so aufgeregt, mein Lieber?« sagte der Mann, der unbemerkt ins Zimmer trat.
    Es war Heydrich.
    »Das … in Bernau … eine Riesenschweinerei, Obergruppenführer.« Heydrich war inzwischen befördert worden.
    »Quatsch«, antwortete der Chef des RSHA. »Los, Blitzgespräch«, er deutete auf den Apparat.
    Müller betrachtete ihn begriffsstutzig.
    »Kann ich den Leuten nicht übelnehmen«, erläuterte Heydrich belustigt, »sie wissen ja gar nicht, um was es geht. Würden Sie sich gerne als Polack maskieren?«
    Das Gespräch war da. Heydrich sprach selbst mit dem Kompaniechef. »Beruhigen Sie die Leute«, sagte er, »sagen Sie ihnen, um was es geht … Der Befehl von Müller ist natürlich unsinnig.« Er legte auf. »Kommen Sie«, sagte er zu seinem Gestapo-Chef.
    Sie gingen in das Arbeitszimmer Heydrichs. Sooft Müller den Blick des Obergruppenführers auffing, stand er wie von selbst stramm. Während des ganzen Gesprächs stand er da wie ein Hund, der auf ein Zeichen des Wohlwollens wartete, um mit dem Schwanz zu wedeln. Wie ein besonders hündischer Hund.
    »Stahmer kennen Sie?« fragte Heydrich.
    Müller reichte dem Agenten beflissen die Hand. Von einer anderen Abteilung waren noch ein paar Männer da. Die Gardinen wurden zugezogen, das Vorzimmer geräumt. Stahmer spürte ein flaues Gefühl im Magen, als er die Vorbereitungen sah. Heydrich betrachtete den hochgewachsenen Stahmer und den erregt schnaufenden Müller. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als freute er sich über den Einfall, dieses ungleiche Gespann gekoppelt zu haben. Er stapfte mit langen Schritten hin und her. Er wirkte wie ein gedoptes Rennpferd. Dann sprach er. Klar. Hart. Berechnend. Schnell.
    »Meine Herren«, sagte er, »es ist soweit.«
    Der Obergruppenführer setzte sich auf seinen Stuhl. Er spielte mit einem Federmesser. Ohne aufzusehen, fuhr er fort: »Wir haben in diesem Raum schon manche geheime Reichssache angekurbelt … Gemessen an dem, was ich Ihnen heute zu eröffnen habe, war das alles eine Lappalie.«
    Gestapo-Chef Müller nickte. In Stahmers Ohren rauschte das Wort ›Lappalie‹ wie eine Lästerung. Vor seinen Augen rann ein endloser Blutstrom. Ein Schrei, ein Schuß, wieder fiel ein russischer Offizier vornüber … Einer nach dem anderen, fünftausend im ganzen, eine Lappalie …
    »In ein paar Wochen beginnt der Kampf«, fuhr Heydrich trocken fort. »Wir haben vom Führer den Auftrag erhalten, einen anständigen Kriegsgrund zu liefern.«
    Werner Stahmer hob den Kopf. Er sah die knappen Gesten Heydrichs. Er spürte seine Worte wie Schläge auf der Haut. Je mehr er versuchte, vom Sinn zu begreifen, desto unwirklicher wurde das alles. Der nickende Müller. Die strammsitzenden Herren. Marionetten-Theater. Aber die Ungeheuerlichkeit floß weiter.
    »Wir werden das drehen«, sagte der Obergruppenführer. Sein Lächeln zitterte wie das Federmesser. »Aber es muß so aussehen, als ob die Polen uns angreifen würden.«
    Gestapo-Müller hatte Stirnfalten. Er versuchte zu folgen, aber seine Phantasie, die sich in den Folterkellern der Gestapo bewährte, versagte hier.
    »Es handelt sich«, tönte der Chef des RSHA geschäftsmäßig weiter, »um zwei getrennte Aktionen.«
    Er sprach wie vor einer Manöverkarte. »Wir werden erstens mit eigenen Soldaten in polnischen Uniformen ein deutsches Dorf

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