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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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er. »Wenn ich Ihnen das Stichwort gebe«, er überlegte ein paar Sekunden, »… sagen wir … Konserve … dann schicken Sie mir die Burschen.«
    »Jawohl, Gruppenführer«, erwiderte der Lagerkommandant mechanisch. Er wollte weiterfragen, aber er wagte es nicht.
    Müller verfolgte es belustigt. »Stichwort Konserve ist gut«, grinste er schlau.
    »Was wollen Sie denn mit den Kerlen?«
    »Brauche ich für die Polacken«, entgegnete Müller.
    »Wie?«
    »Ja … als lebende Zielscheiben.« Dann legte der Gruppenführer die Hand an den Mund. »Mensch«, sagte er abschließend, »wenn Sie ein Wort pfeifen … mach' ich Sie noch zur Schießbudenfigur.«
    »Jawohl, Gruppenführer.«
    Noch am gleichen Tag fuhr der Chef der Gestapo nach Berlin zurück. Der Plan rollte. So wurde der Zweite Weltkrieg gezündet, mit einem Gangsterstück: SS-Leute in polnischen Uniformen mordeten KZ-Häftlinge im Wehrmachtstuch.
    Und die Wochenschau übermittelte das alles den staunenden Zeitgenossen …

55
    Die Wagenfedern quietschten, die Wagenachsen holperten. Der Schnellzug rollte nach Gleiwitz. Drähte sangen, Telegrafenmasten flitzten wie Ausrufezeichen vorbei. Werner Stahmer legte seine Zeitung weg. Wieder einmal saß er im Zug, aber es ging nicht an die Riviera. Es ging in den geplanten Krieg, und er, die rechte Hand des Satans, hatte ihn auszulösen.
    Zuerst spielte er mit dem unsinnigen Gedanken, ins Ausland zu flüchten. Dann hatte er Angst, Margot zu sagen, daß er wieder in den Dschungel mußte. Das Mädchen las es aus seinem Gesicht.
    »Du mußt wieder fort?« fragte Margot traurig, aber ohne Vorwurf.
    Werner Stahmer nickte.
    »Ich werde deinen Koffer packen«, versetzte sie eine Spur zu schnell.
    Stahmer schüttelte den Kopf. Sein Gepäck wurde in der Prinz-Albrecht-Straße hergerichtet. Originalausrüstung aus Polen. Zerknüllte Zloty-Scheine. Zündhölzer aus Warschau. Ein Konfektionsanzug mit polnischem Etikett. Und dann hatten sie ihm sogar noch ein Medaillon der Muttergottes von Tschenstochau eingepackt. So raffiniert war das Hauptquartier des Satans. Es wollte ohnedies Gott mit den gleichen Mitteln abschaffen, wie es die Judenfrage löste.
    Der Zug hielt. Zwei, drei Stationen noch bis Gleiwitz. Auch Stahmers Komplizen waren unterwegs. Sieben Mann. Auf verschiedenen Wegen, nach einem sorgfältig erstellten Plan. Gelernt war gelernt. Die Regel hieß: Getrennt marschieren, gemeinsam morden …
    Mit einem Ruck fuhr der Zug weiter. Schräg gegenüber von Stahmer saß eine vollschlanke Blondine. Sie suchte seine Augen. Er wich aus. Ihr Mund lächelte. Ihr Rock hatte sich zu weit nach oben geschoben. Aber der Agent sah es nicht.
    »Fahren Sie auch nach Gleiwitz?« fragte die Frau.
    Stahmer nickte, ohne sie anzusehen. Sie war mit viel Geld und wenig Geschmack angezogen, und deshalb wirkte sie nicht sehr anziehend.
    »Langweiliges Nest«, sagte sie. »Bleiben Sie länger dort?«
    »Weiß noch nicht.«
    Der Agent blieb einsilbig. Der Mund der Blondine schmollte, aber ihre Augen wollten es noch nicht aufgeben.
    »Gleiwitz«, rief die Stimme über den leeren Bahnsteig. Stahmer nahm seinen Koffer, nickte. Ein Gepäckträger wollte ihn abnehmen, aber der Agent winkte ab.
    Er saß im Taxi, nannte das Ziel. Sicher ein langweiliges Nest, dachte er. Dann gingen seine Gedanken andere Wege.
    Im Hotel nahm er die Liste aller Angestellten des Senders Gleiwitz zur Hand. Was es zu wissen galt, hatte Werner Stahmer erfahren. Wer das Haus betrat, mußte einen Zettel ausfüllen. Der Portier fragte jeweils bei der Abteilung zurück. Es hatte keinen Sinn, ihn einfach zu überwältigen, denn das Eindringen in den Senderaum selbst kostete Zeit. Also mußte zumindest ein Mann vorher in das Haus geschmuggelt werden. Ich natürlich, dachte Stahmer verdrossen. Er wußte, daß er noch ein paar Tage Zeit hatte, bis dahin mußte er sich mit einem Rundfunkmann anfreunden. So weit wenigstens, daß er ihn am Abend besuchen konnte, um im Haus zu sein, wenn seine Komplizen es von außen stürmten.
    Stahmers Augen gingen die Liste durch, Namen, Dienststellung, kurze Beschreibung. Tote muß es geben, dachte Stahmer bitter. Aber darum brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Tote gibt es von selbst, auf beiden Seiten. Und keiner wußte, wer es sein wird. Müde wünschte sich Stahmer sekundenlang, daß er unter ihnen sein möge. Aber dabei arbeitete sein Verstand weiter am Auftrag.
    Warum mußte es denn ein Mann sein, dachte er, warum nicht eine Frau oder ein

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