Prinz-Albrecht-Straße
pendelte unruhig aus schwarzen Höhlen. Er hatte den Blutgeruch durch Schnapskonsum bekämpft, aber am Morgen kam jeweils mit dem Kater die Erinnerung.
Man hatte Löbel der Auslands-Spionage zugeteilt, für die Stahmer seit Jahren unterwegs war.
»Kommen Sie«, sagte der Standartenführer und ging in sein Büro voraus. Er zog die Gardinen vor und versicherte sich unnötigerweise, daß er keine Lauscher hatte. Er nahm wieder das alte Verschwörerwesen an. Stahmer hatte ihn nie leiden können, jetzt war er ihm doppelt zuwider. Der Standartenführer stellte Schnaps auf seinen Schreibtisch, dann legte er wortreich los. »Schweden«, hörte Stahmer, ohne es zu begreifen. Er war mit dem Kopf woanders. Bei Margot. In einem namenlosen Lager …
»Wir haben den Mann umgedreht«, fuhr Löbel fort, »und können jetzt einen unserer Leute in das Netz einbauen. Es handelt sich um eine gut organisierte deutsche Widerstandsgruppe, die Verbindungen zum Oberkommando der Wehrmacht haben soll … Wenn diese Schweinerei stimmt, ist es ein ganz großer Schlag.«
»Jawohl, Standartenführer«, erwiderte Stahmer ganz mechanisch.
»Sie wären der richtige Mann dafür«, Löbel trank aus und schenkte sich nach. »Alles hängt davon ab, welchen Eindruck Sie auf die Burschen machen … Sie müssen es fertigbringen, daß die Leute Sie für einen Deserteur halten.«
Stahmer zog die Mundwinkel hoch. Kunststück, dachte er, nehmt mir die Bremsklötze von den Beinen, und ich werde einen Überläufer spielen, daß euch die Augen übergehen …
»Das ist das Wichtigste«, sagte Löbel. »Man sollte irgendeinen Emigranten oder so was haben, der Ihnen eine Art Empfehlung mitgibt.«
Mit einem Schlag war Stahmer hellwach. Sein Instinkt, der bei einem Agenten das Gewissen ersetzt, setzte ein. Er hatte Löbels Erklärungen über sich ergehen lassen, ohne bewußt zuzuhören. Jetzt horchte er ihnen nach, erfaßte den Sinn. »Darf ich?« fragte er und nahm die Flasche in die Hand, um Zeit zu gewinnen. Er goß umständlich die zwei Gläser voll. »Das ist nicht gut«, sagte er und gab sich nachdenklich. »Das halten die für gefälscht oder für erpreßt.«
»Ja aber …«
»Man sollte sich eine Person mitnehmen, die einem das Alibi liefert … Begreifen Sie, Standartenführer?«
»Nicht ganz«, versetzte Löbel.
»Einen Juden oder so was … den wir laufen lassen und der weiß, daß ich ihn über den Haufen schieße, wenn er nicht spurt.«
»Hm«, machte der Standartenführer, trat ans Fenster heran, schlug die Gardine auseinander und sah auf den Hof.
»Ich habe meine Erfahrungen«, schürte Stahmer weiter. »Ich lass' mich nicht gern auf Sachen ein, die schiefgehen.«
»Schiefgehen darf das auf keinen Fall«, sagte Löbel und fuhr herum. »Hören Sie«, fuhr er fort, »nur Sie wissen von der Geschichte. Niemand sonst. Ich nehme das alles auf meine Kappe. Ich weiß«, dämpfte er die Stimme, »daß ich meine Kompetenzen überschreite … aber ich will dem Obergruppenführer diesmal glasklare Resultate auf den Tisch legen … eindeutige Erfolge, die zwei ganz allein errungen haben: Sie und ich«, er trat ganz dicht an Stahmer heran, »wir beide … wenn Sie wollen.«
»Lassen Sie mich so einen Juden aussuchen«, wich Werner Stahmer aus.
»Mit Juden ist das schlecht«, versetzte Löbel so gedehnt, wie Stahmer es erwartet hatte. »Da wird der Reichsführer leicht sauer.«
»Oder einen anderen Insassen aus einem KZ-Lager. So ein Kerl ist doch sicher froh, wenn er davonkommt«, Stahmer lächelte, »und ich pass' schon auf, daß er keine Dummheiten macht … verlassen Sie sich darauf, Standartenführer.«
»Es wäre zu überlegen«, entgegnete Löbel, »arbeiten Sie doch mal einen schriftlichen Plan aus … aber es muß ganz schnell gehen.«
»Ich habe schon mal so was gemacht«, stellte Stahmer endgültig seine Falle auf, »mit einer Frau … Wissen Sie, die Formis-Kiste damals.«
»Mensch, ja.«
»Und eine Frau ist auch leichter unter Kontrolle zu halten«, setzte Stahmer lauernd hinzu.
»Sie haben völlig recht«, der Standartenführer war jetzt begeistert, »wußte doch gleich, daß Sie der richtige Mann für so was sind … Quatsch mit schriftlichem Plan … Wir springen gleich in die Praxis, was?«
Stahmer nickte. Sein Gesicht war ausdruckslos, obwohl er seinen Puls an den Schläfen spürte.
»Jede Vollmacht«, fauchte Löbel. »Krempeln Sie die ganzen KZs um, suchen Sie in unseren Akten nach einer geeigneten
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