Prinz Charming
denn von William?«
»Komm doch zurück, Taylor!« forderte Alison.
»Ach, du meine Güte, auch William kommt zu uns!« flüsterte Jennifer. »Kein Wunder, daß Taylor ausreißen will.«
»Will ich doch gar nicht«, widersprach Taylor. Natürlich war das eine glatte Lüge, aber sie wäre eher gestorben, als ihre Feigheit einzugestehen. »Ich möchte nur eine Szene vermeiden. Wenn ihr mich entschuldigen würdet...«
Aber Constance packte ihren Arm. »Du darfst nicht Weggehen. Sonst blamierst du dich ganz schrecklich, und das lassen wir nicht zu. Ignoriere ihn einfach. Alison, würdest du endlich aufhören, diesen Mann anzugaffen!«
»Also wirklich, irgend jemand muß mich mit ihm bekannt machen!« beharrte Alison erneut und schwenkte heftig ihren Fächer vor den geröteten Wangen.
»Das könnte Morris übernehmen«, schlug Jennifer vor und trat beiseite, um dem heftig bewegten Fächer auszuweichen. »Ist er nicht schön?« seufzte sie.
»Männer sind attraktiv, Darling, nicht schön, aber du hast recht. Dieser da ist beides. Und so groß! Ich glaube, wenn ich ihn genauer anschaue, falle ich in Ohnmacht.«
Mit einiger Mühe gelang es Taylor, sich von Constances Griff freizumachen. Gerade wollte sie sich abwenden und um ihr Leben laufen, da fiel ihr Blick auf den Mann, von dem Alison und ihre anderen Freundinnen so begeistert schwärmten.
Plötzlich erstarrte sie und vergaß sekundenlang zu atmen. Ein sonderbares Schwindelgefühl stieg ihr in den Kopf. Nie zuvor hatte sie einen hübscheren Mann gesehen, hoch gewachsen und gertenschlank, aber breitschultrig, mit schwarzem Haar und sonnenbrauner Haut. Und erst die Augen! Welch eine hinreißende Farbe! Dunkles Schokoladenbraun! Und ringsum zarte Fältchen - wahrscheinlich, weil er so oft in die Sonne geblinzelt hatte ... Ganz sicher nicht, weil er so gern lachte. Nicht gerade der Typ, dem man an einer einsamen, finsteren Straßenecke begegnen - oder mit dem man den Rest seines Lebens verbringen wollte ... O Gott, was hatte sie getan?
Sie riß den Fächer aus Alisons Hand und wedelte damit vor ihrer Nase umher. Wie heiß es im Ballsaal geworden war...
Wäre es skandalös, wenn sie vor seinen Füßen in Ohnmacht fiele? Vermutlich würde er auf seinem Weg zur Tür über sie hinwegsteigen. Taylor schüttelte energisch den Kopf. Nun mußte sie endlich ihre Gedanken ordnen und die Fassung wiedergewinnen. Sie spürte, wie ihr das Blut brennend in die Wangen stieg. Wie lächerlich, dachte sie. Da gab es nichts, was sie in Verlegenheit bringen könnte. Es lag nur an der Hitze.
War der Riese, der da auf sie zukam, jener Mann, der in so schlechtem Ruf stand? Hatte Constance nicht behauptet, er sei letzte Woche jeden Abend mit einer anderen Frau ins Bett gegangen? Hätte sie doch aufmerksamer zugehört ... Sie beschloß, ihre Freundinnen zu befragen. Denn jetzt wollte sie alles über den geheimnisvollen Fremden wissen.
Doch nun war es zu spät, Fragen zu stellen. Und ihre eben noch klaren Gedanken begannen, sich erneut zu verwirren, denn er schaute ihr direkt in die Augen, das zerrte an ihren Nerven. Und sie konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Stand ihr Mund offen? Hoffentlich nicht, denn wenn es so wäre, hätte sie nichts dagegen tun können. Aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht, redete sie sich ein. Der Fächer würde zumindest ihre untere Gesichtshälfte verbergen.
Doch da nahm ihr Alison den Fächer wieder weg, und Taylor gewann den beklemmenden Eindruck, das Kleid wäre ihr vom Leib gerissen worden. Sie fühlte sich nackt und ausgeliefert, aber nur für einen kurzen Moment. Dann straffte sie die Schultern, zwang ihre Lippen zu einem Lächeln und versuchte zu überlegen, wie sich eine Dame benahm.
O ja, er war attraktiv. Während sie ihn betrachtete, konnte sie kaum atmen, wollte voller Bewunderung seufzen, doch das wagte sie nicht.
Natürlich wußte sie, warum er sie so faszinierte. Er glich ihren Romanhelden, Davy Crockett und Daniel Boone. Und es konnte doch nicht schaden, wenn man sich in Tagträumen ein Leben an der Seite eines amerikanischen Grenzsiedlers vorstellte, oder? Ein abenteuerliches Leben, wo man den Indianern begegnete - oder den »Wilden«, wie sie in den Romanen genannt wurden ... Wenn diese Rothäute einen Feind getötet hatten, pflegten sie ihm den Skalp abzuziehen, weil sie eine Trophäe brauchten, um ihren Erfolg zu beweisen. Boone und Crockett hatten gegen zahllose Indianer gekämpft, doch sie waren nie skalpiert worden und
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