Prinz der Nacht
tatsächlich gehört hatte.
Astrid tastete sich zu ihm, und die Wärme ihrer Nähe durchströmte seinen Körper. Als sie seinen Arm berührte, erwachte sofort jene vertraute Sehnsucht. »Bist du okay?«, fragte sie.
»Nein, wirklich nicht. Ich will endlich wissen, was in jener Nacht mit mir geschehen ist.«
Verständnisvoll nickte sie. »Simi, gibt es irgendeine Möglichkeit, Zareks Gedächtnis aufzufrischen?«
»Nein. Wenn Akri so was macht, funktioniert es einwandfrei. Er ist unfehlbar. Nun ja, abgesehen von ein paar Dingen, über die wir nicht reden, weil er sich dann ärgert. Dieses Wort mag ich - >unfehlbar<. Genau wie ich.
Unfehlbar.«
»Dann ist es hoffnungslos«, stöhnte Zarek. »Ich habe keinen Beweis für meine Unschuld. Und ich werde niemals erfahren, was damals wirklich geschah.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Astrid lächelte ihn an. »Gib noch nicht auf, verlass dich auf mich. Wenn wir beweisen können, was Simi sagt, steht mein Entschluss fest: Du bist unschuldig. Das kann niemand bestreiten. Dann werden meine Schwestern nicht zulassen, dass du zu Unrecht verurteilt wirst.«
»Als ich zu Tode gesteinigt wurde, war ich auch unschuldig, Prinzessin«, wandte er verächtlich ein. »Verzeih mir, wenn ich am Gerechtigkeitssinn deiner Schwestern zweifle.«
Beklommen schluckte sie. Gewiss, es stimmte, oft genug mussten die Unschuldigen leiden. Diese Tatsache taten ihre Mutter und ihre Schwestern mit dem Hinweis ab, so würde es nun einmal im Universum zugehen. Allerdings bemühte sich Themis, jeden Angeklagten gerecht zu behandeln. Aber auch ihr unterliefen manchmal Fehler. Dafür war Zarek ein perfektes Beispiel. So oder so, er musste die Wahrheit erfahren, das verdiente er. »Simi? Kannst du Zarek die Ereignisse jener Nacht irgendwie zeigen?«
Nachdenklich klopfte der Dämon mit einem Zeigefinger auf seine Wange. »Ja, ich denke schon. Akri hat mir nicht verboten, ihm irgendwas zu zeigen, er sagte nur, ich darf nicht mit ihm reden.«
Lächelnd nickte Astrid. Schon immer hatte Simi die Befehle Acherons wortwörtlich genommen. »Würdest du es tun?
Bitte?«
Bereitwillig trippelte Simi zu Zarek und ergriff sein Kinn. Er wollte protestieren, aber irgendetwas strömte aus ihrer Hand in sein Inneres und lähmte ihn. Dann drehte sie sein Gesicht herum, bis er in ihre Augen schaute, die jetzt rot und gelb leuchteten. Darin erblickte er die Vergangenheit.
Ringsum schwand alles andere dahin. Er sah nur noch Simis Augen. Auf ihren Pupillen flackerten Bilder und drangen in sein Gehirn. An die Ereignisse, die sie darstellten, erinnerte er sich nur lückenhaft, es kam ihm so vor, als würde er einen Film über sein eigenes Leben betrachten. Er beobachtete, wie die Häuser seines Dorfs bis auf die Grundmauern niederbrannten, wie die Leichen verkohlten. Diese Visionen verfolgten ihn seit Jahrhunderten. Aber diesmal erschien noch etwas anderes - vergessene Szenen, die man ihm so lange vorenthalten hatte.
Er sah sich ins Dorf stolpern. Verwirrt. Wütend. Doch der Schaden war schon angerichtet worden. Daran traf ihn keine Schuld. Jemand hatte sich vor ihm hier eingefunden.
In seinen Armen lag die sterbende alte Frau, wie so oft in seinen Albträumen. Diesmal sprach sie nicht nur die übliche Anklage aus. »Der Tod hat dich gesucht. Alle brachte er um, weil wir ihm verraten sollten, wo du wohnst. Das wissen wir nicht. Deshalb geriet er in wilden Zorn. « In ihren alten Augen glühten Hass und Verachtung. » Warum bist du nicht zu uns gekommen? Das ist deine Schuld, denn du hättest uns beschützen müssen. Also hast du uns alle getötet.
Auch meine Tochter. «
Als er erkannte, was die Daimons verbrochen hatten, stieg neue Wut in ihm auf, und die Wahrheit beschleunigte seinen Puls. Er war unschuldig. In jener Nacht hatte er seinen normalen Rundgang unternommen und dabei das Feuer gesehen. Da war er sofort zurückgerannt. Doch es war zu spät.
Im hellen Tageslicht hatte Thanatos das Dorf überfallen und zerstört. Zarek hätte seine Schutzbefohlenen unmöglich retten können.
Während er in Simis Augen blickte, führte sie ihn auf die vergessene, fünf Nächte lange Reise zu dem Apollitendorf, wo er die Verantwortlichen für die Morde in Taberleigh gesucht hatte.
Unterwegs bekämpfte er mehrere Spathi-Daimons, und einer erzählte ihm von dem Tagestöter, der ihr Volk vereinen und die Dark Hunter vernichten wollte.
Lachend starb der Spathi und behauptete, die Herrschaft der Dark Hunter sei beendet.
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