Prinz der Nacht
ist keine Schusswunde«, log er, »ich bin gestürzt.«
»Nichts für ungut, aber Sie hätten vom Mount Everest runterfallen müssen, um sich dermaßen zu verletzen.«
»Okay, vielleicht nehme ich nächstes Mal meine Kletterausrüstung mit.«
Sie hob die Brauen. »Machen Sie sich über mich lustig?«
»Keineswegs«, entgegnete er wahrheitsgemäß, »ich will bloß nicht drüber reden.«
Astrid nickte. Nun musste sie etwas mehr über diesen zornigen Mann herausfinden, der anscheinend nicht sprechen konnte, ohne sie anzufahren. Im wachen Zustand war er wirklich kein angenehmer Zeitgenosse. Als Sasha ihn aufgestöbert hatte, war er halb tot gewesen. Wie konnte man jemanden so übel zurichten und dann einfach im Schnee liegen lassen? Was hatten sich die Knappen bloß dabei gedacht? Unfassbar, dass dieser rüpelhafte Dark Hunter nach einer nur viertägigen Bettruhe aufzustehen vermochte.
Jemanden so zu behandeln, war grausam und geziemte sich nicht für Leute, die geschworen hatten, die Menschheit zu schützen. Hätte ein Mensch den ohnmächtigen Zarek gefunden, wäre seine Tarnung dank der achtlosen Knappen aufgeflogen und seine Unsterblichkeit erkannt worden. Darüber musste sie Acheron informieren.
Doch das würde sie später tun. Jetzt war Zarek auf den Beinen. In ihrer Hand lag sein ewiges Leben oder sein Tod, und sie würde ihn gründlich prüfen, um seinen Charakter einzuschätzen.
Besaß er die Fähigkeit des Mitleids oder eine innere Leere, die ihrer eigenen glich? Zunächst wollte sie feststellen, was ihn erzürnte. Sie würde ihn an die Grenze seiner Toleranz treiben und seine Reaktion beobachten. Wenn er sich beherrschen konnte, würde sie ihn für ungefährlich erklären. Wenn er sie verletzte, musste sie ihn für schuldig befinden, was seinen Tod bedeuten würde.
Beginnen wir mit dem Test. Sie erinnerte sich an die wenigen Fakten, die sie erfahren hatte. Zarek redete nicht gern mit irgendwem. Und er hasste reiche Leute. Vor allem hasste er es, berührt oder herumkommandiert zu werden.
Sie beschloss, mit belangloser Konversation anzufangen. »Welche Farbe hat Ihr Haar?«
Bei dieser scheinbar harmlosen Frage entsann sie sich, wie sie das Blut aus seinem Haar herausgewaschen hatte. Wie eine sinnliche Liebkosung war es zwischen ihren Fingern hindurchgeglitten. Weich und glatt. Und ziemlich lang.
Wahrscheinlich reichte es bis zu seinen Schultern.
»Wie, bitte?« Ausnahmsweise herrschte er sie nicht an, also musste ihn die Frage verwirren. Seine Stimme klang tief und angenehm, mit griechischem Akzent. Jedes Mal, wenn er sprach, rann ein eigenartiger Schauer über ihren Rücken.
Noch nie hatte sie einen Mann mit einer so intensiven maskulinen Stimme gekannt.
»Ihr Haar«, wiederholte sie. »Welche Farbe hat es?«
»Warum interessiert Sie das?«, fragte er kampflustig.
»Reine Neugier.« Lässig zuckte sie die Achseln. »Ich bin sehr oft allein ... Obwohl ich mich nicht wirklich an Farben erinnere, versuche ich, sie mir vorzustellen. Einmal schenkte mir meine Schwester Cloie ein Buch, in dem stand, jede Farbe würde sich auf eine ganz bestimmte Art anfühlen. Zum Beispiel soll Rot heiß und störrisch sein.«
Was für ein merkwürdiges Gespräch, dachte er. Aber auch er war oft genug allein, und so verstand er das Bedürfnis zu reden - über irgendetwas, mit irgendjemandem, der es lange genug ertrug. »Meine Haare sind schwarz.«
»Das dachte ich mir.«
»Tatsächlich?«, platzte er unwillkürlich heraus. Sie nickte, ging um das Bett herum und kam ihm ein bisschen zu nahe. Nur wenige Zentimeter fehlten, und ihre Körper hätten sich berührt. Plötzlich empfand er den seltsamen Impuls, über ihre Wange zu streichen, um herauszufinden, ob sich ihre Haut so weich anfühlte, wie sie aussah.
Heilige Götter, wie schön sie war. Ein schlanker, geschmeidiger Körper und Brüste, die perfekt in seine Hände passen würden. Seit er zum letzten Mal mit einer Frau geschlafen hatte, waren mehrere Monate vergangen. Und eine halbe Ewigkeit, seit er einer Frau so nahe gekommen war, ohne ihr Blut zu kosten.
Jetzt könnte er es tun - ihren Herzschlag an seinen Lippen spüren, während er ihr Blut trank und ihre Emotionen in ihn hineinströmten, die Schmerzen und die innere Leere verdrängten.
Obwohl es verboten war, menschliches Blut zu trinken, bereitete ihm dieser Genuss die einzige Freude, die er jemals gekannt hatte. Nichts anderes besiegte den Schmerz in seiner Brust und erlaubte ihm, Hoffnung zu
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