Prinz der Nacht
auch nicht. Mir ist es egal.«
Dann hörte sie, wie er das Wohnzimmer verließ. Unbewegt hielt sie die Tasse in der Hand. Obwohl sie mit Sashas Augen gesehen hatte, dass nichts Giftiges oder Ekliges in die heiße Schokolade geraten war, verdarb ihr Zareks abstoßende Antwort den Appetit.
Er beobachtet dich, erklärte Sasha.
Langsam legte sie den Kopf schief. Na und?
Der will dich sicher dazu herausfordern, das Gebräu zu probieren.
Was sollte sie tun? War das ein Test? Wollte Zarek herausfinden, ob sie ihm vertraute? Schließlich holte sie tief Luft und trank die Schokolade, die genau richtig temperiert war und ausgezeichnet schmeckte.
Zarek staunte über ihre Tapferkeit. Also hatte sie seinen Bluff durchschaut und traute ihm. Er würde niemals etwas trinken, das ihm ein Fremder anbot. Widerwillig bewunderte er Astrid. Diese Frau hatte wirklich Mumm. Das musste er ihr zugestehen.
Aber dieser Mut würde ihr letzten Endes wenig nützen, wenn er nicht rechtzeitig verschwinden konnte, bevor Thanatos hier auftauchte. Zweifellos würde der Mistkerl nicht nur ihn, sondern auch Astrid töten. Zareks Blick verschleierte sich, als er an den Dämon oder Daimon, oder was immer er sein mochte, dachte, der beauftragt worden war, ihn zu ermorden.
Schon seit einer Ewigkeit glaubten Zarek und seinesgleichen, Acheron wäre Artemis ' Bluthund, dem sie befahl, ungebärdige Dark Hunter aufzustöbern und umzubringen. Entsprach das den Tatsachen? Alle, die es wussten, vegetierten im Schattenreich dahin - seelenund körperlose Wesen, die Hunger und Durst litten und diese Bedürfnisse niemals befriedigen durften. Auch die Welt nahmen sie wahr - aber niemand fühlte ihre Gegenwart. Zarek seufzte.
Diese Existenz konnte er sich sehr gut vorstellen, weil er in den sechsundzwanzig Jahren seines sterblichen Daseins selbst ein Schatten gewesen war. Damals hätte er eine Welt, die ihn nicht bemerkte, vorgezogen. Denn sobald er in die Nähe der Leute geraten war, hatten sie ihr Bestes getan, um ihn zu peinigen und zu demütigen.
Als er wieder klar zu denken begann, durchströmte ihn heißer Zorn. Diese luxuriöse Hütte bezeugte Astrids Reichtum. Während seines menschlichen Lebens hätte eine solche Frau in sein Gesicht gespuckt. Einfach nur, weil er es gewagt hatte, ihren Weg zu kreuzen. So tief hätte er unter ihr gestanden und sie nicht einmal anschauen dürfen, sonst wäre er ausgepeitscht worden.
Ein Blick in ihre Augen hätte seinen Tod bedeutet.
»Belästigt Euch dieser Sklave, Herrin?«
Bei dieser schmerzlichen Erinnerung stöhnte er. Mit zwölf Jahren war er töricht genug gewesen, auf seine Brüder zu hören. Eines Tages zeigten sie ihm eine Frau, die über den Marktplatz ging.
»Das ist deine Mutter, Sklave. Wusstest du das? Erst letztes Jahr hat der Onkel sie freigelassen.«
»Warum gehst du nicht zu ihr, Zarek? Vielleicht bemitleidet sie dich, und auch du wirst befreit.«
Zu jung und zu dumm, um sich eines Besseren zu besinnen, starrte er die Frau an. Ebenso wie er selbst besaß sie schwarzes Haar und leuchtend blaue Augen. Nie zuvor hatte er seine Mutter gesehen, nie gewusst, wie schön sie aussah.
Nur in seinem Herzen hatte er stets geahnt, sie müsste schöner sein als Venus. Er hatte geglaubt, sie wäre eine Sklavin und verpflichtet, ihrem Eigentümer zu gehorchen. In seiner Fantasie hatte er sich ausgemalt, nach seiner Geburt wäre er ihren Armen entrissen worden. Jeden Tag hatte sie sich nach dem verlorenen Sohn gesehnt. Er stellt sich vor, er wäre seinem gnadenlosen Vater übergeben worden, der ihn so grausam von ihr ferngehalten hatte.
Zarek bezweifelte nicht, dass sie ihn liebte, denn alle Mütter liebten ihre Kinder. Deshalb wollten die Sklavinnen nichts von ihm wissen, weil sie ihre Gefühle für die eigenen Kinder aufsparten. Und diese Frau war seine Mutter.
Natürlich würde sie ihn freudig willkommen heißen. Er rannte zu ihr, umarmte sie und erklärte, wer er sei, wie sehr er sie liebte.
Aber er spürte keine mütterliche Wärme. Entsetzt und angewidert starrte sie ihn an, verzerrte ihre Lippen und zischte: »Dieser Hure habe ich gutes Geld gezahlt, damit sie dich tötet.«
Seine Brüder lachten ihn aus. Von dieser herzlosen Zurückweisung erschüttert, konnte er kaum atmen. Unfassbar -
sie hatte eine andere Sklavin bestochen, um ihn ermorden zu lassen.
Ein Soldat eilte herbei und fragte, ob Zarek sie belästige. Frostig hatte sie erwidert: »Dieser nichtswürdige Sklave hat mich berührt. Dafür
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