Prinz für die Köchin
Idee, das gebe ich zu. Sag, was sind deine Pläne? Bleibst du an der Riviera?«
»Ja. Ich bin auf der Suche nach einem neuen Job – ein bisschen näher bei Menton. Archer schaut sich nach einer größeren Wohnung um«, fügte sie lächelnd hinzu. »Der Chef – ich meine Michel – hat mir ein Wahnsinnszeugnis geschrieben. Nächste Woche habe ich ein paar Vorstellungsgespräche. Ist ein bisschen unheimlich, aber auch ganz toll.«
»Das freut mich sehr für dich.«
»Na ja, wir werden sehen«, meinte Imogen gleichmütig. »Mir geht’s eigentlich nicht um Goldene Löffel. Ich möchte einfach auf eigenen Beinen stehen und –«
»Sehen, was du alles kannst«, schloss Di. »Natürlich. Oh –« Di verstummte jäh, als sie Archer erblickte, der mit Monty auf dem Arm neben der Küchentür stand und Imogen zulächelte. »Dein junger Mann da gefällt mir wirklich sehr, Liebes.«
»Mir auch.«
Di kicherte, und ihre Augen funkelten. »Er scheint … das gewisse Etwas zu haben. Nicht wahr?«
»Oh ja«, antwortete Imogen lachend. »Das hat er ganz bestimmt.«
Im Juli waren Imogen und Archer in eine Dachgeschosswohnung in Mentons verschachtelter Altstadt gezogen. Sie hatten sich augenblicklich in die Räume verliebt. Sie waren hell, und obgleich im Moment nicht allzu viele Möbel darin standen, enthielt die Wohnung alles, was sie ihrer Ansicht nach wirklich brauchten: ein Bett, eine Küche und ein Sofa, das Monty genehm war und das während der warmen Sommer- und Herbstmonate auf der Terrasse gestanden hatte, wo die drei sich zusammengeräkelt und die Sterne betrachtet hatten.
Imogen hatte inzwischen als Köchin im Paradis Pour Tous angefangen, einer eleganten Brasserie in Roquebrune-Cap-Martin ganz in der Nähe, von der aus man direkt aufs Meer hinunterblickte. Die Besitzer waren freundlich, und nachdem sie die Gerichte ihrer neuen Mitarbeiterin gekostet hatten, waren sie nur allzu gern bereit, ihre Seeigelsuppe und Lamm- croustillants mit auf die Speisekarte zu setzen.
Gegen Ende des Mittagsservice hatte die Kellnerin Imogen vor Kurzem lächelnd gefragt, ob sie etwas dagegen hätte, kurz in den Speisesaal zu kommen – die Gäste an Tisch sechs wollten ihr unbedingt gratulieren. Als sie aus der Küche trat, sah sie sich einer Jubeltruppe gegenüber, die aus Monsieur Boudin, Daphne, Bastien, Larissa und Dimitri bestanden hatte. Es war die wundervollste Auszeichnung aller Zeiten gewesen.
Weihnachten hatten sie bei Bunny verbracht, wo Imogen, Archer und ihre Freunde sich ein paar Tage eingenistet, Karten gespielt und sich alberne DVD s angeschaut und geradezu lachhaft viel Spaß gehabt hatten. Obwohl es Imogen nichts ausmachte, Weihnachten nicht zu Hause zu sein, freute sie sich trotzdem auf Besuch von ihrer Mutter und ihren Geschwistern, und Ende Januar auch von ihrem Vater. Sie wollte, dass Archer ihre Familie kennenlernte – es würde schön sein, alle Teile ihres Lebens zusammenzubringen.
Jetzt entfaltete sich das neue Jahr unter einem blassen Winterhimmel, und es hatte während der letzten Tage geschneit – ein ziemlich ungewöhnliches Vorkommnis an der Riviera. Das Wetter hätte nicht unterschiedlicher sein können, verglichen mit vor einem Jahr, als Imogen hier angekommen war, doch es war ebenso schön. Und heute hatten die Boudins zum galette des rois -Essen ins Chez Michel eingeladen, um das Dreikönigsfest nach französischer Tradition zu feiern.
Daphne und Imogen hatten die galette heute Morgen gemeinsam gebacken und eine Schicht Mandelteig mit Orangenblütenduft zwischen Brandteigscheiben gebettet. Außerdem hatten sie mit großem Bedacht den kleinen Glücksbringer ausgewählt, der in der Mandelmasse versenkt werden würde.
»In die galettes, die wir im Laden verkaufen, stecke ich immer so kleine bunte Plastikglücksbringer«, hatte Daphne erklärt. »Die sind witzig. Jedes Jahr sind es andere: Disneyfiguren, Oldtimer-Autos, Dschungeltiere, Hollywoodstars, alles, was man sich nur vorstellen kann. Die gibt’s in allen französischen Bäckereien. Aber«, hatte sie gesagt und den Kopf auf eine Art und Weise schiefgelegt, die sehr an Di erinnerte, »da dieser Kuchen ja ausschließlich für unsere kleine Runde bestimmt ist, finde ich, wir sollten einen traditionelleren Glücksbringer aus Porzellan nehmen. Meinst du nicht, dass das hübscher wäre? Die werden nicht mehr verwendet – wahrscheinlich zu teuer, ganz abgesehen davon, dass man sich daran den einen oder anderen Zahn abbrechen könnte.
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