Prinz für die Köchin
der Schule gewesen war, ohne zu wissen, dass manche Leute in ihrem Alter eine Lehre machten.
»Außerdem ist es im Augenblick nicht leicht«, fuhr Bastien mit ernster Miene fort. »Weil Boudin … und weil das Restaurant nicht …« Er brach ab und schüttelte den Kopf, dann lächelte er sie an. »Monsieur Boudin ist ein fantastischer Küchenchef«, schloss er, »also wird bestimmt alles gut.«
Imogen nickte verblüfft. Sie war ja gewillt zu glauben, dass Boudin fantastisch war, aber seine aufbrausende Art heute war ihr doch aufgestoßen, und das nicht nur, weil sie selbst davon betroffen gewesen war. Als Dimitri ihm zum Beispiel ein makelloses Lammkarree präsentiert hatte, hatte Monsieur Boudin ihn zornig angefunkelt und mit kalter Stimme gesagt: »Ah, la vache! Mais je rêve ou quoi? C’est quoi, cette merde?« Eine Frage, die, wie Imogen später erfuhr, nicht etwa mit einer Kuh (vache) zu tun hatte, sondern übersetzt ungefähr so lautete: »Meine Fresse! Träume ich jetzt oder was? Was ist denn das für eine Sch …?« Dimitri hatte stumm und ungerührt dagestanden, den Blick auf nichts Bestimmtes gerichtet.
»Ich sage dir, was das ist«, hatte Boudin weitergegrollt, während er über Imogen aufragte und sie erschreckenderweise anscheinend in dieses Gespräch mit einbeziehen wollte. »Und du, kleine Aushilfe, du kannst auch gleich noch was lernen. Das ist ein Teller voll Dreck. Ja?«
»Ja, Chef« , sagte Dimitri.
»Und du, du bist ein Trottel. Ja oder nein?«
Dimitri war ihr vielleicht nicht der liebste Mensch auf Erden, aber Imogen musste zugeben, dass seine Selbstbeherrschung in diesem Moment wirklich beeindruckend war. Vielleicht hatte Monsieur Boudin ihn sich ja deswegen vorgenommen – wegen der ruhigen Arroganz des jungen Kochs, die keine noch so schwere Beleidigung zu erschüttern schien.
Bastien schob ihr die Schale mit den Nüssen hin. »Noch einen Kir?«
Imogen schüttelte den Kopf, lächelte ihn an und wurde plötzlich von einem gewaltigen Gähnen überwältigt. Bastien gähnte seinerseits und reckte sich. »Das steckt an«, meinte er und grinste sie an.
Nach einem kurzen Abstecher, um Imogens Gepäck aus dem Hotel abzuholen, gingen sie zusammen zu den Schlafquartieren der Angestellten, einem schmalen, weiß getünchten Haus neben dem Restaurant. Wie Bastien ihr erläuterte, wohnte eine ganze Anzahl ihrer Boustifaille-Kollegen ebenfalls dort, einschließlich er selbst. Im Stillen fand Imogen, das Haus sähe eigentlich gar nicht groß genug aus, dass sie alle dort hineinpassen könnten. Sie traten in den kleinen, nichtssagenden Flur, und sie bemerkte einen durchdringenden Geruch nach Desinfektionsmitteln, der einem richtig im Hals brannte. Ihre Erwartungen wurden mit jedem Schritt kleiner, als sie und Monty Bastien ins oberste Stockwerk folgten, wo ihr neuer Freund am Ende des Flurs leichthin bemerkte: »Übrigens, ich hoffe, du leidest nicht unter Klaustrophobie.«
Als Imogen die Tür öffnete und schließlich den Lichtschalter fand, rutschte ihr das Herz in die Hose. Das Zimmer war ein fensterloses Kabuff. Eine nackte Glühbirne beleuchtete ein schmales Bett und einen Schrank, der kaum breit genug für drei Kleidungsstücke aussah. Der Desinfektionsmittelgeruch hatte alles durchtränkt. Monty ließ ein entrüstetes Gebell vom Stapel.
Bastien bückte sich und streichelte den kleinen Hund. »Ist nicht gerade super, ich weiß. Aber du kannst es dir ja ein bisschen netter machen. Ich habe Poster in meinem Zimmer, weißt du, Bilder von meiner Familie.«
»Und hat dein Zimmer auch so eine tolle Aussicht wie meins?«, fragte Imogen mit dünner, besiegter Stimme.
»Ja, man kann den Parkplatz sehen. Also werd bloß nicht neidisch. Und an den Geruch gewöhnt man sich nach einer Weile auch. Gute Nacht.« Und er ging den Flur hinunter.
7
Während einer fürchterlichen Nacht in ihrer stickigen Zelle bewahrte Imogen nur Montys tröstliche Gegenwart auf ihrem Bett vor dem Verzweifeln. Am Morgen stand sie so früh wie möglich auf und duschte in dem schäbigen Gemeinschaftsbad. Sie war todunglücklich und konnte es gar nicht erwarten, ins Freie zu kommen.
Nach einem Spaziergang in dem schattigen Pinienwald, wo sie vielen anderen Hunden und ihren Besitzern begegnete, die Monty allesamt ignorierten, ging sie zum Frühstücken ins La Sirène. Sie machte es sich mit einem duftenden Kaffee und einem glänzenden Croissant gemütlich und schaute die Straße hinunter, Richtung Meer. Allmählich fühlte sie
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