Prinz für die Köchin
empfand keine besondere Begeisterung bei der Aussicht, Kartoffeln zu schälen und Töpfe zu schrubben. Wie würden ihre Mutter und ihre Geschwister lachen, wenn sie sie bei der Arbeit sehen könnten. Aber bestimmt würde sie doch nicht für alle Zeit eine einfache Arbeitssklavin bleiben? Nach dem Kindergarten sehnte sie sich danach, zur Abwechslung einmal für anspruchsvolle Erwachsene zu kochen und das in die Praxis umzusetzen, was sie sich in Dis Küche selbst beigebracht hatte. Resolut biss sich Imogen auf die Lippe. Irgendwie würde sie Monsieur Boudin dazu bringen, ihr Talent anzuerkennen.
Als sie auf dem Weg zum Boustifaille in eine Seitenstraße einbog, erblickte sie ein grünes Ladenschild mit der Aufschrift Mitch’s Paperback Wonderland. Allem Anschein nach eine englische Buchhandlung. Imogens Stimmung hob sich ein wenig; ein rascher Blick in die Kochbuch-Abteilung würde ihr vor ihrem nächsten Zusammentreffen mit ihrem Boss Kraft geben.
Innen war die Buchhandlung viel weiträumiger, als sie erwartet hatte – sie sah, wie sie sich vor ihren Augen immer weiter erstreckte, wie Aladdins Höhle. Die Wände schienen aus Büchern zu bestehen, alle kunterbunt durcheinander unter schrägen Dachbalken aufgestapelt, die in provenzalischen Rot- und Ockertönen gestrichen waren. Hunderte von Bildern und Fotografien standen oder hingen in und zwischen den Bücherregalen. Mehrere Bibliotheksleitern gewährten Zugang zu den oberen Rängen dieser Auslage, und außerdem standen eine Menge nicht zueinander passender Sessel umher. Der Besitzer des Paperback Wonderland hatte eindeutig nichts dagegen, dass seine Kunden in aller Ruhe stöberten.
Aber wie in aller Welt sollte man in diesem Irrgarten irgendetwas finden? Anstelle der üblichen Kategorien – Geschichte, Romane, Reisebücher – gab es hier eine Unmenge skurriler Schildchen, alle mit einer zackigen, energischen Handschrift beschrieben. Bestimmt die des Besitzers. »Das Leben ist kein Wunschkonzert« stand auf einem, und dann »Was soll das denn heißen?«, »Think Pink«, »Ich hab doch gesagt, ich bin krank«, »See You Later, Alligator«, »De trop« und »Nicht mal in Ihren wildesten Träumen.«
Verdutzt ging Imogen an einem kreisrunden, mit schäbigem scharlachrotem Samt bezogenen Sofa vorbei, das mitten im Raum stand, und trat in einen weiteren winzigen Raum, der mit einem Wirrwarr von Büchern aller Art vollgestopft war, die eins gemeinsam hatten: blaue Buchrücken in verschiedenen Schattierungen. Drei Stufen hinunter war noch ein Zimmer, diesmal voller Bücher mit schwarzen Rücken. Außerdem waren da noch goldgerahmte Spiegel und ein Kristallkronleuchter – alles viel zu groß für den Raum, aber es ergab einen betörenden Schmuckkästchen-Effekt.
Dahinter war eine steile kleine Treppe. Auf einem Schild an der Wand stand: »Welchen Teil von ›Nur auf Einladung‹ haben Sie nicht kapiert, Sie Hohlkopf?« Verschüchtert wandte Imogen sich gerade wieder zu dem Raum mit den schwarzen Büchern um, als sie Stimmen hörte.
»Wie meinen Sie das, Sie wissen nicht, ob Sie es dahaben?«, verlangte eine britische Frauenstimme zu wissen.
»Na, genau so«, antwortete eine amerikanische Männerstimme.
»Aber es steht doch weltweit auf allen Bestsellerlisten!«
»Na und?«, fragte der Mann und kam in den Raum marschiert, wo Imogen sich instinktiv hinter ein Sofa geflüchtet hatte.
Der Mann, den Imogen vorläufig als Mitch identifizierte, den Besitzer des Wonderland, war wahrscheinlich Anfang siebzig, groß und hager, mit kurzem graumeliertem Haar und einem bleistiftstrichdünnen Errol-Flynn-Schnurrbart. Er trug ein Dinnerjackett über einem Goldlaméhemd sowie Bermudashorts mit dunklen Kniestrümpfen und schwarzen Schuhen. Eine füllige Dame in einem hummerfarbenen Hosenanzug folgte ihm dicht auf den Fersen.
»Also, könnten Sie nicht wenigstens mal im Lager nachsehen?«, quengelte sie.
»Hören Sie, Lady«, meinte Mitch gelangweilt und drehte sich zu seiner erzürnten Kundin um, »wenn es Ihnen wirklich bestimmt ist, dieses Buch zu lesen, dann gebe ich Ihnen einen Rat, hören Sie auf, danach zu suchen. Geben Sie einfach Ruhe und lassen Sie zu, dass es Sie findet.«
»Was? Was für ein Unsinn!«
»Das«, erwiderte er und strich sich geistesabwesend über den Schnurrbart, »ist lediglich Ihre persönliche Meinung.«
»Ach, vergessen Sie’s«, fauchte die Frau. »Ich wusste es ja, ich hätte in den englischen Buchladen in Cannes gehen
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